(ps) Gute Berufsorientierung gehört zu den wichtigsten Aufgaben von und für junge Menschen in der Übergangszeit Schule-Beruf. Im Idealfall haben Schüler*innen, die ihren Schulabschluss entgegennehmen, bereits mehrere Praktika hinter sich, haben Berufsmessen besucht und sich umfangreich über ihre Interessen und Möglichkeiten Gedanken gemacht und informiert. Leider sieht die Wirklichkeit oft anders aus: Schon vor Corona haben viele Studien Defizite bei der Berufsorientierung von Schüler*innen aufgezeigt. „Während der Coronapandemie hat die Berufsorientierung zusätzlich gelitten, weil entsprechende Präsenzangebote weggefallen sind“, so Felicia Ullrich, Studienbetreuerin der u-form-Gruppe. In der Studie, für die u.a. 4284 Schüler*innen und Azubis befragt wurden, wird der Bedarf für mehr Berufsorientierungsangebote deutlich.
Tatsächlich ist der Ausbildungsmarkt noch nicht auf dem Vor-Corona-Niveau angekommen – und das liegt nicht an der Demografie. Tausende Ausbildungsstellen seien unbesetzt, während viele Interessent*innen unversorgt blieben, berichtet der Spiegel. Bei der „Frage an die Generation Z“, wo die Ursachen hierfür liegen, wird als Ursache hauptsächlich die „fehlende Berufsorientierung in den Schulen“ genannt – annähernd 50 Prozent sind dieser Auffassung. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack würde dem vermutlich beipflichten: Schon im vergangenen Jahr beklagte sie verschenkte Potenziale bei der Berufsorientierung an Schulen. „Ziel muss sein, junge Menschen individuell bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu unterstützen. Dafür ist vor allem eine verbesserte Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen wichtig“, so Hannack gegenüber der dpa.
Orientierung im Überangebot
Die Studie diagnostiziert eine „berufliche Desorientierung“ der angehenden Azubis. Ein Grund dafür sei die steigende Zahl an Ausbildungsberufen. Derzeit stehen 324 zur Auswahl – darunter sind auch neue oder sehr spezialisierte Ausbildungen, die oftmals schlicht unbekannt sind. Andere Ausbildungsberufe werden modernisiert und wechseln damit nicht selten den Namen, usw. Und wer weiß schon, was ein*e „Gestalter*in für immersive Medien“ so macht? „Das wird für immer mehr Jugendliche zum Orientierungsproblem“, sagt Ullrich. Denn angesichts „der Vielzahl an Ausbildungsberufen fühlen sie sich überfordert, finden sich in diesem Wust gar nicht mehr zurecht“, ergänzt sie gegenüber der Zeitschrift Spiegel. In der Studie werden auch Informationsdefizite deutlich: So werden „E-Sportler“ und „Persönlicher Gesundheitsassistent“ von jeweils über 70 Prozent der befragten Jugendlichen für grundständige Ausbildungsberufe gehalten.
Social Media weniger entscheidend
Während heute gefühlt das ganze Leben der Jugend in den sozialen Medien stattfindet, gilt dies für Berufsorientierung nicht. Lediglich 10,9 Prozent der Jugendlichen gaben an, Social Media aktiv für die Suche nach einem Ausbildungsplatz zu nutzen. Hier ist die Jugend sich über die Jahre gewissermaßen treu geblieben: Bereits vor zehn Jahren haben Studien nachgewiesen, dass „Online-Foren, soziale Medien und Videos bei der Berufs- und Studienorientierung wenig genutzt“ werden, so die Ergebnisse der Studie „Berufsorientierung im Netz“ damals. Aber trotz zahlreicher neuer Plattformen wie TikTok und Twitch hat sich an diesem Befund nichts geändert. Unter jenen, die aber Social Media in diesem Zusammenhang nutzen, ist Instagram mit gut 51 Prozent die populärste Plattform.
Die richtige Ansprache
Der Generation Z wurde bereits in zahlreichen Studien attestiert, dass Betriebsklima und Umgang miteinander für sie wichtiger sind, als für die vorangegangenen Generationen. Die Bundesagentur für Arbeit betont sogar, dass ein „schlechtes Betriebsklima der Hauptgrund für Abbrüche durch die Auszubildenden“ sei. Für die Jugendlichen geht das bei der Ansprache los: „61,6 % der Azubis würden lieber in einem Unternehmen arbeiten, das Mitarbeitende duzt“, so das Ergebnis der Recruiting-Trends. Auch die Ansprache bei z.B. Informationen auf „Karriereseiten“ oder in Stellenanzeigen wünsche sich eine Mehrheit der Jugendlichen in der Du-Form.
Dies ist aber ein schmaler Grat: Wie eine Umfrage der Recruiting-Agentur „Jugendstil“ ergeben hat, wünscht sich zwar die Mehrheit der jungen Menschen das „Du“ – aber nicht immer bzw. nicht überall. Bei Social Media wünschen sich ganze 83 Prozent das „Du“, aber schon bei Flyern bricht der Wert auf 65 Prozent ein. Bei persönlichen Gesprächen waren die Jugendlichen unentschieden: 52 Prozent bevorzugen das „Du“. Schließlich zeigt sich hier aber auch die Crux mit Umfragen: Laut „Jugendstil“ würden nämlich lediglich 31 Prozent der Jugendlichen sich ein „Du“ in Stellenanzeigen wünschen – versus 55,7 Prozent, die laut der Recruiting-Trends-Studie das „Du“ in Stellenanzeigen bevorzugen würden.
Quellen:
https://www.testsysteme.de/studie
https://www.presseportal.de/pm/104017/5526271
https://www.servicestelle-jba.de/wws/9.php#/wws/gastbeitrag-auswirkungen-corona.php
https://www.ueberaus.de/wws/berufsorientierung-was-folgt-aus-der-corona-krise.php#a33215390
https://www.bwpat.de/ausgabe/27/mueller-blaich
https://www.arbeitsagentur.de/faktor-a/mitarbeiter-finden/so-werden-azubis-die-ausbildung-lieben
https://agentur-jugendstil.com/bewerberansprache-im-ausbildungsmarketing-sie-versus-du/
12.06.2023