(ps) Die Lage an den deutschen Schulen ist angespannt – und das nicht erst seit gestern. Bis auf an ein paar Vorzeigeschulen herrscht Mangel überall. Angefangen bei maroder Bausubstanz, über schlechte oder veraltete Schulausstattung, bis hin zu Lehrkräfte- und Schulsozialarbeitermangel. Die Jahre der Corona-Pandemie hat zusätzlich Löcher in den Unterricht geschlagen, die faktisch nicht mehr aufzuarbeiten sind, und aus denen den betroffenen Jahrgängen vermutlich bis zum Schulabschluss und möglicherweise darüber hinaus Nachteile erwachsen werden. Hinzu kommen in den letzten Monaten und Jahren gesamtgesellschaftliche Belastungen wie Inflation, kriegsbedingte Teuerungen und politisch beschlossene Mehrbelastungen etwa durch das Heizungsgesetz oder die geplante Gas-Mehrwertsteuererhöhung.
Schüler*innen unter Druck
Das nun von der Robert Bosch-Stiftung veröffentlichte Schulbarometer zeigt, dass dies alles auch bei den Schüler*innen ankommt. Die befragten Lehrkräfte beobachten eine Reihe von Anzeichen für Kinderarmut – und diese sind noch gravierender, als die in diesem Punkt ungenaue Medienberichterstattung es darstellt. Beispielsweise der DLF-Kultur oder die SZ berichten: „Etwa jede dritte Lehrkraft gibt an, dass Schülern benötigte Materialien fehlen“, Formulierungen dieser Art. In der Befragung heißt es aber: 37 Prozent der „Lehrkräfte beobachten mehr Schüler*innen, die unzureichendes Schulmaterial haben“ – der Mangel wird also nicht einfach von mehr als jeder dritten Lehrkraft beobachtet, sondern jede dritte Lehrkraft bemerkt, dass der Mangel zunimmt.
Daneben nehmen auch die Probleme mit dem Verhalten der Schüler*innen zu. Insbesondere Konzentrations- und Motivationsprobleme machen den Lehrkräften zu schaffen. Ein Drittel sieht aber auch Ängste bei ihren Schüler*innen. Als Gründe werden Krieg, Klimakatastrophe und andere Faktoren genannt – Sabine Walper, Direktorin des Deutschen Jugendinstituts, habe laut SZ aber auch auf die allgemein sinkende Lebenszufriedenheit der deutschen Jugendlichen hingewiesen, die auch in einer aktuellen Unicef-Untersuchung dokumentiert ist: Schon 2021 war der Wert hier bei den 16- bis 19-jährigen auf einer Skala von 1 bis 10 bei den Deutschen mit 7,4 geringer als in vielen anderen EU-Staaten. Dieser Wert ist 2022 auf 6,6 gefallen – „viel stärker als in allen anderen betrachteten Ländern.“ Damit bilde Deutschland „zusammen mit Bulgarien (ebenfalls 6,6) das europäische Schlusslicht bei den Zufriedenheitswerten.“
Lehrer*innen im Arbeitswahnsinn
Gleichzeitig sind die Lehrkräfte – bereits seit Jahren – unterbesetzt, was zu einer hohen Arbeitsbelastung führe, die mit Zeitmangel einhergehe. Dieser Zusammenhang stellt nach dem Problem der Verhaltensauffälligkeiten seitens der Schüler auch die größte Herausforderung für Lehrkräfte dar. Den Lehrkräftemangel möchte die Kultusministerkonferenz (KMK) gerne mit den Teilzeitkräften abmildern, die mehr arbeiten sollen. Zugleich lehnt die KMK jedoch die Arbeitszeit-Dokumentation für Lehrkräfte ab, die aktuell der Bundesarbeitsminister Heil einführen möchte. Die Lehrkräfte haben hier jedoch eine klare Meinung: Viele wären durchaus bereit, mehr zu arbeiten – aber nur, wenn „auch nicht unterrichtsbezogene Tätigkeiten“ erfasst würden, sagen 73 Prozent. So, wie Heil es vorschlägt. Denn den Lehrkräften werden nur ihre Unterrichtsstunden angerechnet. Unterrichtsvorbereitungen, Korrektur von Klassenarbeiten, Test, Hausaufgaben usw., die meist zuhause stattfinden, werden dagegen nicht eingerechnet. Auch bräuchte es insgesamt weniger „fachfremde Aufgaben“, befinden 69 Prozent der befragen Lehrkräfte.
Damit und mit noch einigen weiteren Aspekten zeichnet das diesjährige Schulbarometer ein eher düsteres Bild der Schulen. Natürlich handelt es sich nur um eine Stichprobe, denn für die Befragung wurden deutschlandweit nur gut 1.000 Lehrkräfte befragt. Das reicht für eine repräsentative Studie, ist aber zugleich auch die Untergrenze. Beispielsweise das ifo-Bildungsbarometer befragt über 4.000 Personen – und auch hier kann es zu „Ausreißern“ kommen: So wurden im Jahr 2018 die Schulen relativ schlecht bewertet, in den Jahren zuvor und danach aber konsistent besser.
Im Schulbarometer kommen nun allerdings einige Aspekte zum Tragen, die auch von anderen Studien und Untersuchungen bekannt sind. Insofern sollten die aktuellen Ergebnisse durchaus zu denken geben. Insbesondere die sinkenden Lebenszufriedenheitswerte der deutschen Jugend müssen adressiert werden, da sie sich bereits jetzt in den Ergebnissen des Schulbarometers niederschlagen. Damit die Schule hier jedoch etwas leisten kann, bedarf es mehr Lehrkräfte und mehr Schulsozialarbeiter*innen – die Stand heute in zu geringer Zahl ausgebildet werden. Wie sich hier zeitnah die Situation verbessern kann, bleibt also vorläufig offen.
Quellen:
https://deutsches-schulportal.de/deutsches-schulbarometer/
https://www.ifo.de/fakten/2023-08-30/ifo-bildungsbarometer-2023
25.09.2023