vocatium magazin

Studium

Angewandte Forschung: „Ham without Oink“

Studierende entwickeln veganen Schinken

Bildquelle: Universität Hohenheim / Schmid

Fleischkonsum ist seit Jahren stetig wachsender Kritik ausgesetzt – und seit geraumer Zeit versucht die Lebensmittelindustrie, das wachsende Interesse an Fleischersatz zu bedienen. Das spiegelt sich auch im Studium wieder: Studierende der Lebensmittelwissenschaften an der Uni Hohenheim haben in einem Projektseminar veganen Schinken entwickelt.

 

(ps) Ernährung war schon immer und ist bis heute ein heiß umkämpftes Thema. Bereits Bibel, Tora und Koran äußern sich zur Ernährung – beispielsweise orthodoxe Juden müssen viele Speisegesetze einhalten. In der Gegenwart sind Ernährungsfragen auch zu Lifestylefragen geworden. Da gibt es von der fleischlastigen Paleo-Ernährung bis zum Rohkost-Veganismus für jeden Geschmack etwas. Die ohne Zweifel einflussreichste Gruppe stellen aber die Vegetarier – etwa 7 bis 10 Prozent der Bevölkerung Deutschlands leben bereits vegetarisch, Tendenz steigend. Ebenfalls steigt der Umsatz mit vegetarischen und veganen Lebensmitteln stetig an. Vor allem der Fleischersatz „boomt“: So gab es von 2019 auf 2021 einen Produktionsanstieg für vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte von sagenhaften 62 Prozent auf 97.900 Tonnen, seit 2022 sind es deutlich über 100.000 Tonnen.

Fleischersatz für Flexitarier

Zwar ist der Fleischmarkt im Vergleich zu den vegetarisch/veganen Alternativen immer noch dominant, jedoch sinkt der Fleischkonsum seit Jahren stetig, während der Alternativmarkt wächst. Doch Veganer- und Vegetarier*innen sind gar nicht unbedingt die Hauptzielgruppe dieser Produkte. Maurice König, Doktorand am Lehrstuhl für Lebensmittelmaterialwissenschaft der Uni Hohenheim, sieht die Ursachen woanders: „Die steigende Nachfrage nach Fleischersatzprodukten ist vor allem auf eine wachsende Zahl an Flexitarier*innen zurückzuführen“, erläutert er. „Diese Zielgruppe lehnt Fleisch nicht wegen des Geschmacks ab, sondern will ihren Konsum z.B. aus Gründen der CO2-Bilanz oder des Tierwohls bewusster gestalten. Die Marktforschung zeigt, dass sich diese Personen insbesondere von veganen Produkten überzeugen lassen, die ihren tierbasierten Vorbildern in Aussehen, Textur und Geschmack möglichst gut nacheifern.“

Anspruchsvolle Produktentwicklung

Dabei ist die Entwicklung dieser Ersatzprodukte gar nicht so einfach: Fleisch schmeckt eben nach Fleisch, es hat eine spezielle Textur, die sich je nach Fleischart unterscheidet, eine spezifische Farbe usw. Dies so gut nachzubauen, dass es ansprechend aussieht und auch wirklich schmeckt, ist eine Herausforderung. Während stark verarbeitete Produkte wie Hackfleisch bzw. Frikadellen oder Burgerpatties, aber auch Fleischwurst, Mortadella oder Grillwürstchen schon eine sehr gute Qualität erreicht haben, hinken Produkte, bei denen im Original die faserige Fleischstruktur im Mund spürbar ist, noch hinterher. Der „heilige Gral“ der Fleischersatzprodukte, das authentisch schmeckende vegane Steak, lässt entsprechend noch auf sich warten. Einen Schritt in diese Richtung haben nun Studierende der Uni Hohenheim versucht, die einen veganen Schinken entwickelt haben – auch hier gehörte die Fleischfasertextur zu den Herausforderungen.

Angewandte Forschung im Studium

„In unserem Projektseminar ‚Ham without Oink‘ haben wir gemeinsam einen veganen Kochschinken mit Räucherkruste entwickelt, der fest, aber gleichzeitig auch elastisch und saftig ist und beim Kauen an das Original erinnert“, fasst die Studentin Saskia für die Universitätsmitteilung zusammen. „Unsere erste Aufgabe bestand darin, die richtigen Zutaten zu finden. Dazu haben wir im Vorfeld zunächst nach bestehenden Rezepturen recherchiert und diese anschließend im Technikum selbst ausprobiert und variiert“, ergänzt ihre Kommilitonin Rebecca. In ihren Versuchen hat sich das das Weizenprotein Gluten bewährt: „Durch einfaches Dehnen der Grundmasse lassen sich die langkettigen Eiweißmoleküle in eine gleichförmige Ausrichtung bringen. So entsteht eine faserige Struktur, die im Mund an Fleisch erinnert.“

Den Rahmen für das Seminar bietet das Hohenheimer Projekt „Humboldt reloaded“, durch das Studierende bereits im Grundstudium an echten Forschungsprojekten arbeiten können. Für die Studierenden eine bereichernde Erfahrung: Hier geht es um keine Seminararbeit für die Schublade, sondern um angewandte Forschung mit einem realen Praxisbezug. Und nun stellen sich die Studierenden sogar der Öffentlichkeit: Nachdem mit den Projektbetreuer*innen und einem Metzgermeister eine Vorauswahl trafen, wurden die Favoriten der interessieren Öffentlichkeit – also den potentiellen Kund*innen – vorgestellt. So servieren Saskia und Rebecca ihre Schinkenvarianten mit anschließender Befragung vor der Mensa der Uni Hohenheim – durchaus mit Erfolg!

Wer nun auf den Geschmack gekommen ist und mehr darüber erfahren möchte, findet weitere Informationen zu Lebensmittelwissenschaften hier:

Uni Hohenheim: https://www.uni-hohenheim.de/lebensmittelwissenschaft-und-biotechnologie-bachelor-studium

Allgemein: Wie immer gibt es je nach Universität bzw. Hochschule eine Reihe von unterschiedlichen Bezeichnungen für ähnliche Studiengänge. Die gängigsten Stichworte sind hier „Lebensmittelwissenschaft“ und „Lebensmitteltechnologie“. Einen guten ersten Überblick bietet der Hochschulkompass: https://www.hochschulkompass.de/ingenieurwissenschaften/lebensmitteltechnologie.html


Quellen:

https://www.uni-hohenheim.de/pressemitteilung?tx_ttnews[tt_news]=58952

https://www.oekotest.de/essen-trinken/Fleischkonsum-Juengere-Generation-verzichtet-laut-Fleischatlas-eher-auf-Fleisch-_11663_1.html

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/954774/umfrage/taeglicher-verzehr-von-fleisch-oder-wurst-in-deutschland-nach-alter/

https://www.spiegel.de/spiegelgeschichte/bibel-die-komplexen-speisegesetze-des-alten-testaments-a-1005417.html

https://www.journalmed.de/infografiken/lesen/umfrage_deutschland_vegetarier_2022

https://www.heise.de/hintergrund/Statistik-der-Woche-Fleischesser-vs-Vegetarier-4724954.html

https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/fleischkonsum-deutschland-rekordtief-100.html

https://veggieworld.eco/zahlen-fakten-vegan-trend-deutschland/#Vegetarische_und_vegane_Lebensmittel_Produktion_stieg_2020_um_mehr_als_ein_Drittel_gegenueber_dem_Vorjahr

https://www.iwd.de/artikel/vegetarische-vegane-und-bio-produkte-im-trend-508139/

 

11.05.2023

Weitere interessante Artikel: Collage: Foto Stolperstein: Sarah Carneim Foto von Filmpremiere: Frederik Lange Im Bild v. l.n r.:  Louise Lenth, Sarah Carneim, David Hopper, Sascha Schmidt
„Stolpern wir noch?“ Gießener Studierende präsentieren Dokumentarfilm Seit mehr als 30 Jahren erinnern Stolpersteine auf den Gehwegen vor Hauseingängen an Menschen, die zu Opfern der... weiterlesenSeit mehr als 30 Jahren erinnern Stolpersteine auf den Gehwegen vor Hauseingängen an Menschen, die zu Opfern der Nationalsozialisten wurden. Welche Wirkung hat dieses Gedenkprojekt heute auf uns? „Stolpern wir noch?“ so der Titel des Dokumentarfilms, den drei Studierende der Justus-Liebig-Universität in Gießen Ende November im Kinocenter der mittelhessischen Stadt an der Lahn präsentiert haben.
Bild von Freepik
Wieder mehr Chemiestudierende Sehr gute Berufsaussichten mit Chemie Chemiker*innen sind in der Wirtschaft sehr gefragt. Allerdings hat es in den vergangenen Jahren einen merklichen... weiterlesenChemiker*innen sind in der Wirtschaft sehr gefragt. Allerdings hat es in den vergangenen Jahren einen merklichen Rückgang der Studierendenzahlen gegeben. Mit dem Jahr 2023 geht es nun aber wieder bergauf – aus guten Gründen: die Berufsaussichten sind sehr gut!
Wie navigieren Bienen? Dieser Frage stellte sich ein von der Klaus Tschira Stiftung gefördertes Projekt. Copyright: Benjamin Paffhausen
Angewandte Forschung: Informatik und Neurobiologie Wie navigieren Bienen? Eine Biene bewirtschaftet einen Radius von drei Kilometern um ihren Stock herum, in Einzelfällen fliegt sie aber bis zu... weiterlesenEine Biene bewirtschaftet einen Radius von drei Kilometern um ihren Stock herum, in Einzelfällen fliegt sie aber bis zu sechs oder sieben Kilometer – und das ganz ohne Navi oder Straßenkarte. Wie machen die das? Ein von der gemeinnützigen Klaus Tschira Stiftung gefördertes interdisziplinäres Forschungsprojekt ist nun dieser Frage nachgegangen.

Suchbörse

Praktikum, Ausbildung & Studium

Hier wirst du fündig!

Über die folgende Suchmaske kannst du Firmen, Fach- und Hochschulen sowie Institutionen finden, die Praktikums-, Gap-Year-, Ausbildungs- und Studienplätze anbieten. Auch einige Vereine und Initiativen sind verzeichnet, die soziale Praktika ermöglichen.