Weltfrauentag 2022: Eine Männerwirtschaft
Nur 24,1% der Führungspositionen mit Frauen besetzt
(ps) Am 8. März ist Weltfrauentag, doch die Bilanz der sozioökonomischen Emanzipation der Frau ist auch in diesem Jahr mager. Die sogenannte "gläserne Decke" stellt für die Karriereambitionen der Frauen weiterhin ein großes Problem dar. So verharrt der Frauenanteil in Führungspositionen der deutschen Wirtschaft weiterhin auf niedrigem Niveau. Dabei glänzen frauengeführte Unternehmen mit deutlich besseren Bonitäts- und Zahlungsfähigkeitswerten und niedrigem Insolvenzrisiko.
Im alltäglichen Leben fällt es praktisch nicht auf, und man könnte glauben, dass wir doch eigentlich die Gleichberechtigung erreicht haben. Männer stehen heute auch am Herd und dürfen den Job ihrer Ehefrau nicht mehr kündigen (ja, so war das mal). Frauen sind Werbezielgruppe von Baumarktketten und werden Kanzlerin. Doch ein Blick auf die Details verrät schnell, dass die Emanzipation noch lange nicht da ist, wo sie sein sollte. In den Führungsetagen deutscher Unternehmen, aber auch weltweit, haben Frauen nach wie vor Seltenheitswert, obwohl sie die Hälfte der Bevölkerung bilden.
In Frankreich darf man sich auf die Schulter klopfen: Mit 45 Prozent Frauenanteil in den Führungsetagen der börsennotierten Unternehmen steht das Land auf Platz 1 im EU-Ranking und hat einen paritätischen Frauenanteil fast erreicht. In Deutschland sind es knapp 10 Prozent weniger. Und bei den Unternehmen insgesamt – jenseits der Börse – ist die Lage noch schlechter: Wie die SCHUFA mitteilt, ist bei den 4,5 Millionen registrierten Unternehmen bei lediglich 26,1 Prozent "mindestens eine Frau in der ersten Führungsriege". Der Informationsdienstleister CRIF kommt bei seiner Analyse sogar nur auf 24,1 Prozent und notiert damit eine zum Vorjahr um 0,5 Prozent gesunkene Quote.
Große Unternehmen = wenig Frauen
Ein Trend zeigt sich deutlich: Je größer das Unternehmen, desto weniger Frauen finden sich in den Führungsetagen. Wie wenig es sind, machte jüngst ein Foto deutlich, das in den sozialen Netzwerken und den Medien eine gewisse Aufmerksamkeit erregte. Am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz trafen sich die Spitzen der deutschen Wirtschaft zu einem Business-Lunch – 32 meist ergraute weiße Männer an einer Tafel, keine Frau. Das sollte aber eigentlich nicht überraschen: "Bei Großunternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei 16,9 Prozent", teilt CRIF mit. Am besten sieht es bei den kleinen Firmen bis 10 Mitarbeiter*innen aus, hier liegt der Frauenanteil der Führungskräfte bei 27,6 Prozent.
Ähnlich sieht es aus, wenn das Kriterium "Umsatz" angelegt wird: "Bei Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Umsatz liegt die Frauenquote in Führungspositionen auf 12,4 Prozent", darunter bei 25,9 Prozent. Wie schwer es für Frauen ist, innerhalb von Unternehmen aufzusteigen, betont Grit Bantow von der SCHUFA: Die Zahlen machten "deutlich, dass Frauen leichter ihre eigene Chefin werden [durch Unternehmensgründung], als zum Beispiel eine Führungsposition in einer GmbH [zu] erreichen." Während je nach Bereich ausschließlich männergeführte Unternehmen eine Häufigkeit von 44 bis 70 Prozent haben, kommen ausschließlich frauengeführte Unternehmen auf Häufigkeiten zwischen 0,3 und 3,5 Prozent.
Frauen wirtschaften besser
Dabei ist es offenbar nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen opportun, auf mehr Frauen in Führungspositionen zu achten: "Bei Unternehmen mit lediglich Frauen auf Entscheiderebene ist das Insolvenzrisiko niedriger, als bei Unternehmen, die ausschließlich von Männern geführt werden", teilt CRIF mit. So liege der "Anteil insolvenzgefährdeter Unternehmen, die von Männern geführt werden" bei 8,9 Prozent, für frauengeführte Unternehmen lediglich bei 7,3 Prozent. Auch der Bonitätsindex ist bei frauengeführten Unternehmen besser: Er liegt im Durchschnitt bei 2,47 Punkten, bei männergeführten Unternehmen bei 2,55. Der Index prognostiziert die finanzielle Ausfallwahrscheinlichkeit, hier ist also ein möglichst geringer Wert positiv.
Während der Frauenanteil allgemein niedrig ist, zeigen sich jedoch branchenspezifische Unterschiede. Die meisten Frauen in Führungspositionen finden sich im Gesundheitswesen mit gut 56 Prozent, am geringsten ist der Anteil im Baugewerbe mit 8 Prozent. Um das richtig einordnen zu können muss man allerdings wissen, dass zugleich im Gesundheitswesen ein Frauenanteil von 75,6 Prozent besteht und somit 56 Prozent immer noch eine sehr geringe Quote ist. Nimmt man diese Korrelation in den Blick, steht das Baugewerbe sogar gewissermaßen gut da: Bei einem Frauenanteil von 10 Prozent in der Branche sind 8 Prozent der Unternehmen in Frauenhand gar nicht schlecht.
Alle Statistiken zeigen deutlich, dass die Emanzipation der Frau jedenfalls in der deutschen Wirtschaft noch weit entfernt ist. Dies zeigt auch ein anderer Erinnerungstag nachdrücklich – der Equal Pay Day, der 2022 passenderweise einen Tag vorm Weltfrauentag liegt. Dieser Tag zeigt die statistische Lohnlücke bzw. schlechtere Bezahlung der Frauen an, die bis zum 7. März gewissermaßen ohne Lohn gearbeitet haben, verglichen mit ihren männlichen Kollegen, die schon seit dem 1. Januar ihren Lohn erhalten. Immerhin: Vor zehn Jahren lag der Termin noch auf dem 23. März.
Quellen:
https://www.presseportal.de/pm/25316/5163926
https://www.presseportal.de/pm/22285/5163872
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitspersonal/_inhalt.html