(ps) Der Vorläufer des Internationalen Frauentags wurde tatsächlich das erste Mal am 19. März 1911 veranstaltet. Damals ging es auch um Gleichberechtigung, doch war die Schieflage natürlich noch deutlich krasser als heute. Ein Kernthema war das Wahlrecht, das den Frauen in Deutschland erst 1918 zugebilligt wurde. Dennoch hat es noch Jahrzehnte gedauert, bis Frauen auf juristischer Ebene leidlich gleichberechtigt waren. Erst seit 1958 dürfen sie den Führerschein machen, erst seit 1962 ein eigenes Konto eröffnen, erst seit 1977 auch ohne Zustimmung des Ehemannes einen Beruf ergreifen (der seine Frau bis dahin auch ohne ihr Einverständnis beim Arbeitgeber kündigen konnte). All das ist nicht besonders lange her, obwohl es inzwischen selbstverständliche Rechte sind.
Und heute ist jedenfalls vor dem Gesetz eine weitestgehende Gleichstellung der Frauen erreicht. Nichtsdestoweniger ist die sozioökonomische Teilhabe der Frauen noch immer nicht da, wo sie sein sollte – und die Arbeit der Frauen wird noch immer nicht als gleichwertig anerkannt, jedenfalls wenn man auf das Lohngefälle blickt. Dennoch ist hier kaum Bewegung zu erkennen. Ganz im Gegenteil: laut Analyse von Clara Albrecht und Britta Rude vom ifo-Institut 2022 wird Deutschland auf verschiedenen Gleichstellungs-Indizes allmählich von anderen Ländern überholt – nicht, weil die Lage in Deutschland schlechter wird, sondern weil in anderen Ländern mehr passiert.
Wirtschaftliche Teilhabe
Dieses Problem zeigt sich besonders deutlich mit Blick auf die wirtschaftliche Teilhabe der Frauen. Ein Beispiel ist der Equal Pay Day, der das Datum markiert, bis zu dem Frauen statistisch gewissermaßen „für lau“ arbeiten. Laut Statistischem Bundesamt verdienen Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen. Zudem sind auch die Anteile von Frauen unter den Führungskräften gering: 2022 lag die Quote bei 28,9 Prozent. Der Anstieg in den vorangegangenen zehn Jahren seit 2012? Gerade mal 0,3 Prozent. Der Frauenanteil in den Vorständen der DAX-Unternehmen lag 2023 nicht mal auf diesem Niveau, es waren lediglich 23 Prozent.
Dabei wären mehr Frauen durchaus auch wirtschaftlich wünschenswert – denn frauengeführte Unternehmen zeichnen sich im Schnitt durch eine höhere Bonität aus und gehen seltener insolvent, als die männergeführten Unternehmen. Beispielsweise eine Analyse des Informationsdienstleisters Chrif Bürgel zeige, so das Magazin connect professional, dass „in mehr als doppelt so vielen Fällen ein oder mehrere Männer an der Spitze eines insolventen Unternehmens stehen.“ Die Frankfurter Allgemeine Zeitung weist ferner darauf hin, dass „die Schwankungsbreite der Aktienpreise – und somit das Risiko der Anlagen“ bei frauengeführten Unternehmen geringer ist.
Politische Teilhabe
Auch die politische Teilhabe von Frauen ist noch ausbaufähig. Zwar hat die aktuelle Bundesregierung darauf geachtet, den Frauenanteil in den Spitzenpositionen leidlich paritätisch zu gestalten. Doch es ist nicht allzu lange her, als der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer 2018 seine „Führungsmannschaft“ des Innenministeriums vorstellte: acht Männer und Seehofer – das Foto davon löste sodann Proteste aus, geändert wurde aber erstmal nichts. Diese Staatssekretärsebene insgesamt war 2018 zu etwa 86 Prozent männlich. 2022 wurde hier ein Frauenanteil von immerhin 46 Prozent erreicht.
Im Bundestag selbst sind jedoch weiterhin nur etwa ein Drittel der Abgeordneten Frauen. Obwohl sie nachweislich positive Effekte auf die Politik haben. Rude und Albrecht weisen auf internationale Studien und Forschungen hin, die dies aufzeigen. Beispielsweise wurde in Schweden festgestellt, dass „eine höhere Repräsentation von Frauen in der Politik mit einem allgemeinen Anstieg in der politischen Kompetenz aller Politiker*innen einhergeht“, in Brasilien, „dass Bürgermeisterinnen dort seltener korruptes Verhalten an den Tag legen als Bürgermeister“, und in Indien, dass „ein 10%iger Anstieg im Frauenanteil in der Politik zu einem Rückgang der Säuglingssterblichkeit von 2,1%“ führte und zugleich „zu höheren Einschulungsraten in städtischen Gegenden“.
Es bleibt viel zu tun
Vergleichbare Daten lassen sich für alle möglichen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens finden. Die Zahlen und Fakten sprechen jedenfalls eine klare Sprache: es gibt keinen objektiven Grund für die ungleiche Behandlung und die ungleichen Karrierechancen für Frauen. Vielmehr gibt es lauter gute Gründe, mehr Frauen insbesondere in den Führungspositionen einzustellen. Hier kommen aber festgefahrene soziale Einstellungen zum Tragen. Beispielsweise werden arbeitende Mütter gerne auch als „Rabenmütter“ hingestellt, wohingegen „Rabenväter“ kein existierender Begriff ist. Auch die berühmte „gläserne Decke“ ist nach wie vor ein großes Problem. Und nicht zuletzt die sozialen Prägungen, die an Mädchen und Frauen bis heute oft herangetragen werden, die sie für bestimmte Berufe, wie etwa Erziehung oder Pflege, vorsieht – für andere wie MINT-Berufe oder gar Führungspositionen aber eben nicht. Es bleibt also viel zu tun.
Quellen:
Clara Albrecht und Britta Rude: Wo steht Deutschland 2022 bei der Gleichstellung der Geschlechter? (ifo-Institut, Schnelldienst 7. März 2022)
Connect professional: Weniger Insolvenzen bei frauengeführten Firmen: www.connect-professional.de/markt/weniger-insolvenzen-bei-frauengefuehrten-firmen.299132.html
Destatis: Frauen in Führungspositionen: www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-1/frauen-fuehrungspositionen.html
Destatis: PM: Gender Gap Arbeitsmarkt 2023 unverändert bei 39 %: www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/03/PD24_083_621.html
Destatis: Gleichstellungs-Index 2022: Gleichstellung von Frauen und Männern in
den obersten Bundesbehörden (07. März 2023)
Equal Pay Day: www.equalpayday.de
FAZ: Wie Frauen Unternehmen erfolgreicher machen: www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/buero-co/gleichstellung-wie-frauen-unternehmen-erfolgreicher-machen-16670787.html (Bezahlinhalt)
Lebendiges Museum Online: Internationaler Frauentag: www.dhm.de/lemo/rueckblick/der-internationale-frauentag.html
Spiegel Online: Seehofers Männerministerium: www.spiegel.de/politik/deutschland/horst-seehofers-maennerministerium-foto-loest-shitstorm-aus-a-1200212.html
Statista: Frauenanteil in Vorständen¹ der DAX-Unternehmen (DAX-30/DAX-40²) in Deutschland von 2008 bis 2023: de.statista.com/statistik/daten/studie/409010/umfrage/frauenanteil-in-dax-vorstaenden/
07.03.2024