(ps) Mit politischen Positionierungen ist es so eine Sache: als Unternehmen möchte man alle Menschen unabhängig von ihren Einstellungen gleichermaßen als Kund*innen ansprechen. Einem Unternehmen geht es schließlich zuerst um das Produkt, die Dienstleistung usw., die angeboten wird – und nicht so sehr um gesellschaftspolitische Fragen.
Das hat in der Bundesrepublik über Jahrzehnte auch leidlich gut funktioniert. Doch vor dem Aufstieg rechter Parteien und Positionen in Europa und der Welt blieb auch Deutschland nicht verschont. Etwa mit der AfD ist eine rechte Partei salonfähig geworden, obwohl sie in drei Bundesländern vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird und in zahlreichen anderen Bundesländern als „Verdachtsfall“ unter Beobachtung steht. Auch Initiativen wie Pegida, Akteure wie Martin Sellner oder Erik Ahrens und noch manche mehr mischten und mischen öffentlichkeitswirksam mit und befeuern einen Rechtsruck in der Gesellschaft – mit ganz realen Auswirkungen auch auf die Unternehmen im Lande.
Rechtsruck gefährdet Fachkräftegewinnung
Schon seit Jahren häufen sich die Berichte über ausländische Fachkräfte, die Arbeitsstellen in bestimmten Gegenden ablehnen oder ihre Anstellungen kündigen, weil sie sich vor Ort nicht mehr sicher fühlen – zu sehr ist Fremdenfeindlichkeit bereits in die Öffentlichkeit getragen. Beispiel Sachsen: Bereits 2019 in der taz konstatierte der inzwischen verstorbene Vorstandssprecher des Vereins „Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen“, Andreas von Bismarck: „Dass auch internationale Fachkräfte ungern nach Sachsen kommen, ist keine Sorge mehr. Es ist eine Tatsache.“ Im Dezember 2024 beklagte der DGB, dass „die fehlende Weltoffenheit in Sachsen“ problematisch sei. „Ausländische Beschäftigte und ihre Familien müssen endlich als gleichberechtigter Bestandteil der Gesellschaft in Sachsen anerkannt werden“, forderte der sächsische DGB-Chef Markus Schlimbach.
Doch dieses Problem gilt natürlich längst nicht nur für Sachsen – sondern findet sich mehr oder weniger ausgeprägt in der ganzen Republik. Die Wirtschaftsweise Prof. Ulrike Malmendier mahnte bereits: „Unser Land braucht ganz dringend nicht nur Fachkräfte, sondern Arbeitskräfte auf allen Ebenen, damit der Wohlstand erhalten werden kann“, wie die Tagesschau berichtet. Doch: „Die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland wird nicht in ausreichendem Umfang gelingen, wenn eine Abschottungspartei wie die AfD immer größeren Zuspruch findet – und Polarisierung in den Vordergrund rückt.“ Das bedeutet natürlich nicht, unregulierte Zuwanderung zu fordern. Es bedeutet, an der Grundhaltung und der Willkommenskultur zu arbeiten, um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben.
Alle Unternehmen in der Pflicht
Der Erhalt unserer Demokratie ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, was also bedeutet: die gesamte Gesellschaft ist in der Pflicht. Und das wiederum betrifft dann auch alle Unternehmen, gleich welcher Größe oder Art. Tatsächlich sind dabei die weniger großen Unternehmen besonders wichtig. Der Konfliktforscher Prof. Andreas Zick betont: „Gerade kleinere und mittlere Unternehmen sind Orte, wo Grundwerte und -normen der Demokratie verhandelt werden können. Wo auch politische Themen diskutiert werden können. Wo Integration stattfindet.“ Mehr noch: „Daher halten wir Konfliktforscher Unternehmen auch für wichtige Orte in einer Demokratie“, so Zick gegenüber impulse.
Was kann mein Unternehmen tun?
Der Arbeitsplatz ist also auch ein Sozialraum, in dem die Arbeiter*innen und Angestellten im Schnitt ein knappes Drittel ihres Tages verbringen. Ob man will oder nicht: in diesen Sozialraum hinein werden früher oder später auch politische Haltungen und Ansichten hineingetragen. Dieser Tatsache müssen Unternehmen Rechnung tragen, indem sie selber eine klare Haltung einnehmen, eine demokratische Unternehmenskultur entwickeln und befördern.
Dazu gehören auch und insbesondere Workshops und Schulungsangebote für die Mitarbeitenden, sowohl für die Belegschaft insgesamt, als auch speziell für die Vertrauenspersonen und andere Beauftragte im Unternehmen. Beispielsweise der bekannte Uhrenhersteller Nomos Glashütte macht dies seit Jahren und hat sehr gute Erfahrungen gesammelt. Vor Ort hätten sie, so berichtet das damalige Geschäftsführungsmitglied Judith Borowski im Gespräch mit der Zeit, „das Problem, dass einfach vor der Haustür die Radikalisierung stark sichtbar wurde und Gefahr lief, auch bei uns im Unternehmen zum Thema zu werden.“ Daraufhin hat Nomos sich Hilfe von außen geholt und gemeinsam mit der Initiative „Open Saxony! (OSX)“ regelmäßige Workshops mit der Belegschaft durchgeführt. Anfänglich habe es gespaltene Meinungen dazu gegeben und man sei auch auf Skepsis gestoßen – inzwischen habe es aber „eine große Selbstverständlichkeit bekommen“.
So muß also kein Unternehmen das Rad neu erfinden – inzwischen gibt es Informations- und Hilfsangebote aller Art, die sich an Unternehmen aller Größen richten, vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum internationalen Großkonzern. In einem Gastbeitrag bei Haufe rät die Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft BNW e.V., Dr. Katharina Reuter: „Als Grundsatz kann Unternehmen dabei folgende Maxime dienen: ‚Unparteiisch im Besonderen, aber parteiisch im Grundsätzlichen‘ – nämlich dann, wenn es um die liberale Demokratie als solche geht.“
Ausgewählte Informationsangebote:
Bundesweit anzutreffen ist die „Initiative für betriebliche Demokratiekompetenz“ [https://betriebliche-demokratiekompetenz.de/] des DGB unter Förderung und Administration von zwei Bundesministerien. Hier werden bundesweit Workshops und Trainings für alle Betriebsbereiche, vom Ausbildungsbereich zur Führungsetage, zu verschiedenen Themen angeboten, etwa: „Was ist eine Meinung, wie frei ist sie und wo sind ihre Grenzen?“ oder „Rechtsextreme auf dem Weg in die Betriebe – und was wir dagegen tun können“.
Ebenfalls hervorzuheben ist die Demokratie in Arbeit gGmbH, die Phineo gAG, von der eine lesenswerte Broschüre mit dem Titel „Unternehmen
für Demokratie – Best Practices und Tipps für Unternehmen“ herausgegeben wurde, sowie das Netzwerk für Demokratie und Courage.
Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Vereine und Stiftungen, die sehr gute Arbeit leisten.
Quellen:
DGB Bezirk Sachsen: „Multinationale Belegschaften gehören zunehmend zur Normalität. Gleichbehandlung ausländischer Beschäftigter sicherstellen“, PM 89, 13.12.2024; online: sachsen.dgb.de/presse/++co++56a5d174-b936-11ef-97de-898ff8d50296
Frankfurter Rundschau: „Unternehmer warnen: Wer AfD wählt, gefährdet Wirtschaft und Wohlstand“, Moritz Maier, 13.02.2024; online: www.fr.de/politik/unternehmer-afd-wirtschaft-wohlstand-rechtsextremismus-rechtspopulismus-gruene-nouripour-zr-92830752.html
Frankfurter Rundschau: „Ostdeutsche Unternehmen alarmiert: AfD-Wirtschaftspolitik bedroht Fachkräftesicherung“, Bleranda Shabani, 20.08.2024; online: www.fr.de/wirtschaft/ostdeutsche-unternehmen-alarmieren-afd-wirtschaftspolitik-bedroht-fachkraeftesicherung-zr-93252140.html
Haufe: „Corporate Political Responsibility: Die Verantwortung von Unternehmen in der politischen Arena“, Dr. Katharina Reuter, 27.05.2024; online: www.haufe.de/sustainability/debatte/corporate-political-responsibility_575768_623736.html
Impulse: „Unternehmen sind wichtige Orte in einer Demokratie“, Wiebke Harms im Interview mit Andreas Zick, 26.01.2024; online: www.impulse.de/organisation/politische-positionierung/7617355.html
Tagesschau: „Wirtschaftsweise Malmendier warnt – ‚AfD schreckt ausländische Fachkräfte ab‘“, o.A., 15.07.2023; online: www.tagesschau.de/wirtschaft/wirtschaftsweise-afd-abschreckung-100.html
Taz: „ Ausländerfeindlichkeit: ‚Dass internationale Fachkräfte ungern nach Sachsen kommen, ist eine Tatsache‘“, o.A., 25.08.2019; online: www.tagesspiegel.de/wirtschaft/dass-internationale-fachkrafte-ungern-nach-sachsen-kommen-ist-eine-tatsache-4658506.html
Zeit Veranstaltungen: „Was können Unternehmen leisten, um die Demokratie zu stärken?“, o.A., o.J.; online: verlag.zeit.de/veranstaltungen/ausblick/zeit-fuer-arbeit/was-koennen-unternehmen-leisten-um-die-demokratie-zu-staerken/
20.12.2024