(ps) Schon als Handys noch von Nokia waren, die Menschen damit nur telefonieren und SMS schreiben konnten und Snake das beliebteste – weil beinahe einzige – Handyspiel war, schon damals waren sie in Schulen ein gewisses Problem. Seit dem Aufkommen des Smartphones mit all den zahllosen Möglichkeiten quasi durch das Internet in der Hosentasche hat sich das Problem noch deutlich verschärft. Einheitliche Regelungen gibt es bislang jedoch keine – und das, obwohl die Forschungslage eine zumindest eingeschränkte Nutzung, besser noch ein Handyverbot, durchaus nahelegt.
Grundsätzlich steht es jeder Schule qua Hausordnung frei, eigene Regeln einzuführen. Tatsächlich haben bereits knapp zwei Drittel aller Schulen in Deutschland mehr oder weniger strikte Handyverbote ausgesprochen. Die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg wünscht sich nun aber auch bundeseinheitliche Regelungen: „Ich halte ein solches Vorgehen für zielführend, weil Einheitlichkeit auch Klarheit bedeutet“, sagt sie gegenüber der dpa.
Verbotspläne mehren sich
Auf der Kultusministerkonferenz wurde das Thema kontrovers diskutiert, Hessen und Baden-Württemberg haben bereits Verbotspläne auf Länderebene angekündigt. Ob die Initiative aus Niedersachen also Früchte trägt, bleibt abzuwarten. International gesehen wäre Deutschland damit aber in guter Gesellschaft: viele Staaten, wie etwa Frankreich, Italien, Dänemark, Großbritannien, die Niederlande oder Lettland haben landesweit geltende Voll- oder Teilverbote von Handys in Schulen und machen damit gute Erfahrungen.
Auch weltweit gibt es solche Regelungen. Beispielsweise in den Staaten des Fernen Ostens, wo Smartphones eine im Vergleich zu Deutschland noch deutlich zentralere Rolle im Alltag spielen, gibt es teilweise strenge Bestimmungen: in Südkorea dürfen die Handys zwar mitgeführt werden, die Lehrkraft darf sie aber konfiszieren, wenn sie im Unterricht genutzt werden – und aktuell gewinnt ein komplettes Verbot immer mehr Unterstützung. In Japan gibt es bereits seit 2009 strikte Handyverbote, die allerdings regional aufgrund der Erdbebengefahr und der Möglichkeit, dann die Schüler*innen via Smartphone zu lokalisieren, aufgehoben wurde.
Neben der eher schlichten Frage „Verbot oder kein Verbot?“ spielt eine wichtige Rolle aber auch der richtige Umgang mit den Mobiltelefonen – unabhängig davon, ob sie ganz, teilweise, oder gar nicht verboten sind.
Vorbild China
In China, dem größten Smartphone-Markt weltweit, dem Geburtsland von TikTok, und einem Land, in dem jung und alt praktisch nie ohne Smartphone zu sehen sind, gibt es ebenfalls strikte Verbote an den Schulen – aber auch klare Handlungsanweisungen zum Umgang mit ihnen. So heißt es in einer Mitteilung des chinesischen Bildungsministeriums, dass die Schulen für die Schüler*innen eine „Bildungsberatung“ im Umgang mit Smartphones leisten sollen, „damit Schüler Mobiltelefone wissenschaftlich und rational behandeln und nutzen, die Informationskompetenz und Selbstmanagementfähigkeiten verbessern und Managementfehler vermeiden können.“
Aber auch die Eltern sind mit an Bord: „Schulen sollten Eltern von Schülern über die relevanten Anforderungen an den Umgang mit Mobiltelefonen informieren und die Gefahren einer übermäßigen Nutzung von Mobiltelefonen sowie die Notwendigkeit einer Stärkung des richtigen Umgangs mit Mobiltelefonen erläutern. Eltern sollten ihrer pädagogischen Verantwortung nachkommen, die Beaufsichtigung der Mobiltelefonnutzung ihrer Kinder zu verstärken und eine gemeinsame Anstrengung von Elternhaus und Schule zur Aufklärung der Kinder unterstützen.“
Nun ist es in Deutschland eher selten, dass China als Vorbild für politische Maßnahmen herangezogen wird. Und den ersten Punkt, die Schulung des rationalen Umgangs und Selbstmanagements mit Mobiltelefonen, hat man auch in Deutschland durchaus auf der Agenda, wenngleich dies noch sehr unterschiedlich gut umgesetzt wird. Aber insbesondere der zweite Punkt, die aktive, kooperative Einbindung der Eltern in die Digitalerziehung der Kinder, hat durchaus Vorbildcharakter – und würde auch der Diskussion in Deutschland helfen. Denn häufig wird noch der schwarze Peter hin- und hergeschoben: die Schulen wollen, dass die Eltern sich dem Thema annehmen, die Eltern sehen aber die Schulen durchaus in der Pflicht.
So hat der baden-württembergische Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, betont, dass „auch die Eltern in der Pflicht [seien], mit ihren Kindern eine ‚altersgerechte Mediennutzung einzuüben‘“, wie der SWR berichtet. Denn: „Die Schulen können nicht alles auffangen, was im Privaten schiefläuft“, sagt Brand weiter – und verpasst die Chance, Schulen und Eltern in einen konstruktiven Austausch zu bringen.
Und Bedarf wäre hier durchaus erkennbar: längst nicht jede Familie ist gleichermaßen in der Lage, sich der Mediennutzung des Kindes in angemessener Weise zu widmen. Insbesondere bei sozial schwächeren Familien gibt es hier häufiger Probleme – wenn dann aber die Schulen aktiv und sozusagen aufklärerisch tätig werden würden, könnte möglicherweise deutlich mehr erreicht werden, als durch ein schieres Handyverbot.
Social Media erst ab 14 Jahren?
Relativ neu ist die Forderung, nicht nur die Smartphones im allgemeinen zu reglementieren, sondern auch die Nutzung von sozialen Medien – welche natürlich die mit Abstand interessantesten Apps für die Schüler*innen darstellen. In der Schweiz wird derzeit eine solche Altersgrenze diskutiert; sie soll bei 16 Jahren liegen. Und erst vor wenigen Monaten hat Australien ein Social-Media-Verbot für Jugendliche ebenfalls unter 16 Jahren ausgesprochen – was die Diskussion auch hierzulande neu entfacht hat.
Die niedersächsische Kultusministerin Hamburg hat nun eine Altersgrenze von 14 Jahren ins Spiel gebracht. „Ich persönlich finde eine Altersgrenze von 14 Jahren für die Nutzung von Social Media sehr zielführend“, sagt sie gegenüber der dpa in Hannover. Bereits im Dezember äußerte sich auch der Bildungsminister Tischner aus Thüringen positiv zu einer Altersgrenze nach australischem Vorbild von 16 Jahren. Und die baden-württembergische Kultusministerin Schopper forderte von Union und SPD, das Thema in den Koalitionsverhandlungen zu berücksichtigen und auch auf EU-Ebene darauf hinzuwirken.
Bereits im Februar 2024 gab es eine ganz ähnliche Debatte, als in Frankreich die Schaffung einer gesetzliche Altersgrenze von 13 Jahren ankündigte. Die Bundesbildungsministerin Paus lehnte damals allerdings eine gesetzliche Regelung für Deutschland ab und trotz der Unterstützung der Idee durch die damals oppositionelle CDU verlief die Diskussion im Sande. Nachdem nun aber Australien Tatsachen geschaffen hat und auch bei den Nachbarn in der Schweiz alles nach einer Altersgrenze aussieht, dürfte das Thema mutmaßlich erstmal auf der Agenda bleiben.
Entwicklungspsychologisch gesehen wäre dies jedenfalls ohne jeden Zweifel eine sinnvolle Maßnahme. Denn die sozialen Medien zeichnen für eine ganze Reihe von Problemen verantwortlich, von Depressionen und Angststörungen über Beförderung von Aufmerksamkeitsproblemen bis hin zum Cybermobbing. Eine Studie der Universität Chicago hat bereits 2012 nachgewiesen, dass Social Media auf das Gehirn praktisch wie eine Droge wirkt und höhere Suchteffekte als Nikotin und Alkohol auslöst. Die Forschungslage zu den negativen Effekten von Social Media ist umfangreich und eindeutig – insofern ist es sehr begrüßenswert, dass die Bildungspolitik auch in Deutschland bei dieser Frage angekommen ist.
Quellen:
ARD: „Kein Social Media unter 16 Jahren“, Jennifer Johnston, 28.11.2024; online: https://www.tagesschau.de/ausland/ozeanien/australien-social-media-102.html
Bildungsministerium VR China: „教育部办公厅关于加强中小学生手机管理工作的通知“, Schreiben des Bildungsministeriums Nr. 3/2021; online: https://www.gov.cn/zhengce/zhengceku/2021-02/01/content_5584120.htm
Deutsches Schulportal: „Immer mehr Länder verbannen das Handy aus der Schule“, Sandra Hermes, 22.02.2024; online: https://deutsches-schulportal.de/schulkultur/immer-mehr-laender-verbannen-das-handy-aus-dem-unterricht/
Pressetext: „Tokio hebt Smartphone-Verbot in Schulen auf“, o.A., 25.06.2019; online: https://www.pressetext.com/news/tokio-hebt-smartphone-verbot-in-schulen-auf.html
Süddeutsche Zeitung/dpa: „Social Media erst ab 14? Ministerin fordert Altersgrenze“, o.A., 20.01.2025; online: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tiktok-instagram-und-co-social-media-erst-ab-14-ministerin-fordert-altersgrenze-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-250120-930-349342
SWR: „BW-Kultusministerin Schopper will Handynutzung an Schulen einschränken“, o.A., 19.3.2025; online: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/schopper-private-handynutzung-schule-einschraenken-100.html
Tagesanzeiger: „Ständerat lässt Verbot von Tiktok und Instagram für Jugendliche prüfen“, o.A., 18.03.2025; online: https://www.tagesanzeiger.ch/tiktok-und-instagram-verbot-fuer-jugendliche-wird-geprueft-936140606855
University of Chicago: „Study finds lure of entertainment, work hard for people to resist“, Lisa M.P. Munoz, 27.01.2012; online: https://news.uchicago.edu/story/study-finds-lure-entertainment-work-hard-people-resist
Zeit Online: „Hessen plant Handyverbot an Schulen“, o.A., 20.03.2025; online: https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2025-03/handyverbot-hessen-schule
Zeit Online/dpa: „Ministerin bejaht bundesweite Regeln für Handys in Schulen“, o.A., 20.03.2025; online: https://www.zeit.de/news/2025-03/20/ministerin-bejaht-bundesweite-regeln-fuer-handys-in-schulen
20.03.2025