vocatium magazin

Eltern

Generation Z bewirbt sich

Wie sozialkompetent ist die Jugend in Zeiten sozialer Medien?

In einer aktuellen Erhebung aus den USA kam ein kurioser Trend ans Licht: Nicht wenige Hochschulabsolvent*innen bringen ihre Eltern mit zum Bewerbungsgespräch. Und auch sonst macht die Generation Z keine besonders gute Figur.


(ps) Über die Generation Z, ungefähr die Geburtsjahrgänge von 1997 bis 2012, wird viel diskutiert und manchmal regelrecht gemeckert. Teilweise sind die Kritikpunkte unberechtigt – etwa wenn sich Firmenchefs empören, dass die junge Generation auf die work-life-balance achtet, statt sich für die Firma aufzureiben und im Zweifel einfach wieder kündigt. Erst eine Generation zuvor ließ sich beobachten, was das mit den Menschen macht: Das Ergebnis war massenweise Burnout. Teilweise, und da spielt dann wirklich die Generationenfrage rein, sind sie aber auch berechtigt – etwa wenn es um die allgemeine Sozialkompetenz, die „social skills“ der Generation Z geht.

Aufgewachsen im Medienzeitalter

Es lässt sich kaum überbetonen, wie substantiell anders diese Generation Z im Vergleich zu allen Generationen vor ihnen aufgewachsen ist. Internet und Computer gab es für diese Generation von Anfang an; die Ältesten waren drei Jahre alt, als das populäre „Kulthandy“ Nokia 3310 auf den Markt kam, und zehn Jahre alt, als das erste Smartphone der Weltöffentlichkeit präsentiert wurde. Sie waren sechs Jahre alt, als facebook gegründet wurde, neun Jahre alt bei Twitter und 13 Jahre alt, als Instagram aufkam. Diese Entwicklungen haben fundamentale Veränderungen an der Lebenswirklichkeit der Menschen verursacht – und die Lebenswelt von Menschen, die mit ihnen groß geworden sind, ebenso fundamental von jener abgerückt, die vor ihnen kamen.

Sie müssen sich nicht mehr selbst beschäftigen, weil sie von den Algorithmen der Sozialen Medien & Co. beschäftigt werden. Sie müssen keine Spiele draußen spielen, weil sie an Konsole und PC spielen können. Sie müssen nicht mehr auswendig lernen, weil alles online zu ergoogeln ist. Und Nachrichten sind das, was der Newsfeed der Sozialen Medien hergibt. Kommunikation mit Freunden läuft über Kurznachrichten, Emotionen werden durch Emoticons und Emojis ausgedrückt. Man unterhält sich zwar auch, aber zunehmend digital via Discord z.B. Und auch sonst sind die „realen“ Sozialkontakte im Vergleich zu früheren Generationen zurückgegangen und finden sie doch statt, sind das Smartphone und digitale Inhalte unweigerlich immer präsent. Das mag nicht für alle zutreffen - allein der Eindruck zu einem Trend dorthin trügt nicht.

Helikoptereltern geben ihr Bestes

In diese Gemengelage hinein wirken natürlich auch die Eltern. Noch nie war die Schar überbehüteter Kinder so groß wie heute – das Problem: Die Helikoptereltern, oder, im Dänischen eigentlich noch bildlicher beschrieben mit „Curling-Eltern“ und „-Kindern“. Der Weg wird für die Kinder freigemacht und "poliert": Kein Hindernis müssen sie selber beseitigen, keine Aufgabe alleine meistern, und allem, was die Kinder tun, egal wie schlecht, wird mit Begeisterung über diese Leistung begegnet. Die Kinder und Jugendlichen werden vor der Welt und der Wirklichkeit beschützt, selbst der Schulweg wäre eine Zumutung, weshalb sich die SUVs täglich zum Unterrichtsende vor den Schulen stauen.

Schon seit Jahren warnen zwar Pädagog*innen und Forschende, dass diese gut gemeinten Aktivitäten der Eltern schädlich für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen sind - allein, es kommt kaum bei den Eltern an. Die Forschung betont, dass die überbehütete Jugend mangelhafte „Selbstwirksamkeit“ aufweist – der Glaube an die eigene Fähigkeit, Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Und ebenso, dass sie sog. „maladaptive Reaktionen“, also „schlecht angepasste Reaktionen“ im Arbeitsumfeld zeigen. Diese und ähnliche Erkenntnisse beziehen sich nicht nur auf Kinder und Jugendliche, sondern auch auf Studierende und Absolventen, die den Arbeitsmarkt betreten – also schon in ihren 20ern sind. Faktisch bringt diese überbehütete Erziehung – gemeinsam mit einer Jugend zwischen Instagram und TikTok – unselbstständige, unangepasste und betreuungsintensive Erwachsene hervor.

Eltern beim Bewerbungsgespräch?

Die Auswirkungen dieser Lebenssituation der Generation Z wurde jüngst in einer US-amerikanischen Studie neuerlich aufgezeigt. Hierfür wurden knapp 800 Firmenchefs und -chefinnen nach ihren aktuellen Erfahrungen mit der Generation Z befragt – und die Ergebnisse sind verheerend. Besonders hervorstechend ist dabei ein Phänomen, das 19 Prozent, also annähernd jede*r Fünfte, gemacht hat: Es klingt eigentlich wie eine Szene aus einer Komödie: Frischgebackene Hochschulabsolvent*innen, also Menschen in ihren 20ern, bewerben sich – und bringen Mama oder Papa mit zum Bewerbungsgespräch. Schwer zu sagen, ob das zum Lachen oder zum Weinen ist. Aber es ist kein völlig neuer Trend, lediglich die Häufigkeit ist stark gestiegen: Schon 2018 zeigte eine Studie dieses Phänomen in den USA auf, damals waren es allerdings erst 4 Prozent der Arbeitgeber*innen, die so etwas beobachtet haben.

Wer jetzt aber glaubt, dass dieser Trend nur ein Ergebnis der aus europäischer Sicht überspannten US-amerikanischen Erziehung ist, der irrt: Auch in Deutschland lässt sich dieses Phänomen beobachten: So ist online bei nordbayern.de in einem Artikel von 2010 (!) von einem Unternehmer aus dem bayerischen Herzogenaurach zu lesen, der genau dies – die Mutter kommt mit ins Bewerbungsgespräch – als Anekdote auf Lager hat. Der damals 16-jährige Junge, also im Übergangsbereich zur Generation Z, wurde mithin aus genau jenem Grunde nicht eingestellt.

Dies ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs – und ebenfalls nicht erst seit gestern. Bereits vor über zehn Jahren sind Personalberater*innen in Deutschland davon ausgegangen, dass gut 50 Prozent der Bewerbungen von den Eltern verfasst werden oder sie daran wesentlich mitgewirkt haben. Selbst wenn sie nicht mit im Bewerbungsgespräch sitzen, haben nicht wenige Firmen schon Kontakte mit den Eltern, sei es, um Informationen zum Unternehmen zu erfragen, bis hin zur Organisation des Bewerbungsgespräches. Das Problem klammernder Eltern, die ihren Kindern jede Herausforderung abnehmen, setzt sich also bis ins Erwachsenenleben und die Berufswelt fort.

Soziale Defizite im Bewerbungsgespräch

In der aktuellen amerikanischen Studie wurden eine Reihe von Defiziten dokumentiert, mit denen die Arbeitgeber*innen sich konfrontiert sehen, wenn sie auf Bewerber*innen der jungen Generation treffen – nicht zuletzt die Ergebnisse sowohl überbehüteter Erziehung, als auch übermäßigem Digitalkonsums. 53 Prozent berichten davon, dass die Bewerbenden schon allein damit Probleme haben, Augenkontakt im Gespräch herzustellen – etwas, dass man am Computerbildschirm eben nicht lernt. Bei Bewerbungsgesprächen per Videokonferenz wollten 21 Prozent ihre Kamera nicht einschalten. 47 Prozent kamen unangemessen gekleidet zum Gespräch, 27 Prozent verwenden unangemessene Sprache. Und jede*r Zweite brachte übertriebene Lohn- bzw. Gehaltsforderungen mit.

Unzureichende Leistungen am Arbeitsplatz

Wer trotz dieser Defizite eingestellt wurde, machte am Arbeitsplatz keineswegs eine bessere Figur. Die frisch von der Hochschule kommenden Arbeitnehmer*innen zeigten sich zu satten 63 Prozent vom Arbeitspensum überfordert – welches ältere Arbeitnehmer*innen aber durchaus schaffen. 61 Prozent kamen regelmäßig zu spät zur Arbeit, 59 Prozent verpassten Deadlines, 53 Prozent kamen zu spät zu Arbeitskonferenzen. Ebenfalls 53 Prozent lieferten schlechte Arbeitsergebnisse. Was im Bewerbungsgespräch auffiel, setzt sich zudem nicht selten später fort: Jeweils über 50 Prozent kamen weiterhin unangemessen gekleidet zur Arbeit und nutzten unangemessene Sprache. Insgesamt seien 50 Prozent der jungen Arbeitnehmer*innen einfach zu kompliziert zu managen („are too difficult to manage“). Ferner verhielten sich 63 Prozent anmaßend anspruchsvoll, 58 Prozent seien schnell beleidigt und schlichtweg nicht für das Arbeitsleben vorbereitet. 57 Prozent fehle es an Professionalität und 52 Prozent hätten schlechte Kommunikationsfähigkeiten.

Lösungsansätze

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass 47 Prozent der Arbeitgeber*innen bereits einen neu eingestellten Hochschulabsolventen wieder gefeuert haben. Nichtsdestoweniger wird die Generation Z früher oder später auf dem Arbeitsmarkt unentbehrlich sein. Die Arbeitgeber*innen aus dem USA empfehlen, im Einklang mit dem, was im deutschen Diskurs zu finden ist, die Bewerbungsgespräche über die Themen „Arbeitsaufgaben“ und „Gehaltsvorstellungen“ hinaus zu erweitern. So läge bei der jungen Generation ein besonderes Augenmerk darauf, wie das Unternehmen zu sozialen und ökologischen Fragen eingestellt sei, welche Werte also das Unternehmen und dessen Chef*innen vertreten. Wolle man die Top-Talente für das Unternehmen gewinnen, käme man nicht umhin, diese und ähnliche Fragen zu adressieren.

Sind die Talente gefunden, bedarf es zudem eines guten Personalmanagements. Dieser digital aufgewachsenen Generation, in der Selbstdarstellung und direktes Feedback vermittels der Sozialen Medien zum Lebensalltag gehören – nicht aber Hierarchien, Anpassung an die soziale Umwelt oder Belastungsresilienz – benötige gerade zu Anfang viel Mentoring. Dies betreffe nicht zuletzt, nolens volens, allgemeine Erziehungsfragen, die früher (eigentlich) von den Eltern und dem sozialen Umfeld, aber auch der Schule hätten vermittelt werden sollen. Etwa, wie man sich eben angemessen für den Arbeitsplatz kleidet, wie formelle E-Mails verfasst werden, oder wie man sich angemessen am Arbeitsplatz, in einer Konferenz usw. äußert. Ebenfalls wichtig ist regelmäßiges und vor allem konstruktives Feedback.

Aufgaben der Eltern

Die Eltern sind hier schlecht weggekommen, dabei meinen sie es ja eigentlich nur gut. Eigentlich bedürfte es nun einer fundamentalen Diskussion über die zeitgenössische Erziehung, die natürlich hier nicht zu leisten ist. Nichtsdestoweniger gibt es, gerade mit Blick auf die Zeit nach dem Schulabschluss, einige einfache Handlungsoptionen. Ganz grundsätzlich ist es für den Prozess der Selbstständigkeit der Kinder von enormem Vorteil, wenn diese nach der Schule nicht direkt ins Arbeitsleben einsteigen, sondern sich im Rahmen von FSJ & Co. engagieren. Auch Auslandsaufenthalte sind zu empfehlen. Die Studienlage ist eindeutig: Jugendliche, die sich im Rahmen von Freiwilligendiensten und Ehrenamt engagieren, eignen sich in dieser Zeit eine Reihe positiver Eigenschaften an, wie Selbstständigkeit, (Selbst-)Organisationsfähigkeit, sie sammeln Erfahrungen über Teamarbeit, lernen Dinge über die eigenen Interessen, ihre Selbstwirksamkeit und ihre Fähigkeiten allgemein.

Mit Blick auf Berufswahl und Bewerbung haben die Eltern natürlich eine wichtige Aufgabe. Studien zeigen, dass Eltern für viele Jugendliche die wichtigsten Anlaufstellen für diese Fragen sind. Allein, es ist die Aufgabe der Eltern, beratend zur Seite zu stehen, nicht aber, diese Fragen für die Kinder zu lösen und zu erledigen. Sie können Ideen und Anregungen liefern, auf geeigneten Berufswahlmessen wie etwa den parentum-Messen können sie ihre Kinder auch begleiten. Aber die Entscheidung, wo die Kinder ein Praktikum machen möchten, welche Ausbildung oder welches Studium sie wählen – das obliegt den Kindern selbst. Ebenso gehört es zum Prozess dazu, dass die Bewerbungen selber verfasst werden und vor allem, dass die Bewerbungsgespräche alleine bestritten werden.

Natürlich können Eltern dann die Bewerbungen durchsehen und überarbeitungswürdige Passagen monieren – aber es hilft nichts, wenn sie dann selbst zum Stift greifen und das für die Kinder erledigen. Vor den Bewerbungsgesprächen sollten offensichtlich auch Informationen darüber eingeholt werden, ob und welchen Dresscode es im Unternehmen gibt – da reicht es oft schon, mal das Unternehmen zu googeln und Mitarbeiterfotos zu suchen. Kernelemente von Bewerbungsgesprächen können ferner zuhause geübt werden, gängige Fragen sind allerorten im Internet zu finden. Stellen Sie sicher, dass das Kind weiß, was das Unternehmen jenseits der eigenen Jobposition noch so macht, dass es eine Antwort darauf hat, warum es sich genau bei diesem Unternehmen bewirbt, und warum es sich für diese Ausbildung bzw. diesen Beruf interessiert – das ist dann schon die halbe Miete. Natürlich ist der Prozess, das eigene Kind ins Leben zu entlassen für viele Eltern hart – aber langfristig wird Ihr Kind Ihnen danken.


Quellen:

Intelligent.com: Nearly 4 in 10 employers avoid hiring recent college grads in favor of older workers: https://www.intelligent.com/nearly-4-in-10-employers-avoid-hiring-recent-college-grads-in-favor-of-older-workers/

ZVW.de: Wenn Eltern mit zum Vorstellungsgespräch gehen: https://www.zvw.de/rems-murr-kreis/wenn-eltern-mit-zum-vorstellungsgespr%C3%A4ch-gehen_arid-58957

Nordbayern.de: Wenn die Mama im Bewerbungsgespräch glänzt: https://www.nordbayern.de/region/herzogenaurach/wenn-die-mama-im-bewerbungsgesprach-glanzt-1.136630

Süddeutsche Zeitung: Wir werden das Kind schon schaukeln!: https://www.sueddeutsche.de/karriere/ueberbehuetete-bewerber-wir-werden-das-kind-schon-schaukeln-1.486743

 

17.01.2024

 

 

 

 

 

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