(ps) Die Berufswahl nach der Schule ist praktisch die erste große Entscheidung im Leben junger Menschen. Natürlich kann auch z.B. die Entscheidung darüber, von welchem Fußballverein jemand Fan wird, das ganze weitere Leben beeinflussen. Und immer häufiger entwickeln sich Berufsbiographien alles andere als gradlinig – mit Arbeitgeberwechseln, Quereinstiegen in andere Berufsfelder, ein Studium nach der Ausbildung usw. Aber dennoch ist diese erste Berufswahl, die erste Entscheidung für eine Ausbildung oder ein Studium für fast alle Menschen von grundlegender Bedeutung. Es ist der erste Schritt in die Selbstständigkeit und stellt unter Umständen die Weichen für das ganze restliche Leben.
Eltern können bei dieser Entscheidung eine zentrale Rolle spielen. Viele Studien haben aufgezeigt, dass sich ein großer Teil der Jugendlichen sowohl die Unterstützung der Eltern wünscht, als auch, dass die Eltern für sie zu den wichtigsten Informationsquellen für die Berufsorientierung zählen. Doch wie können Eltern ihre Kinder sinnvoll unterstützen, ohne sie zu überfordern oder gar ihre eigenen Wünsche unterzumogeln?
Geduld und Kommunikation
Die Entscheidung zur Berufswahl ist, wie gesagt, oft die erste große Entscheidung eines jungen Menschen. Sie kann bei manchen Faszination und Begeisterung auslösen, bei manchen aber auch Ängste, Überforderung und Unsicherheit. Letzteres kann sich in vielen Formen zeigen: häufig wird die Frage einfach vermieden, ausweichende Antworten gegeben, Desinteresse wird vorgespiegelt, oder Wut kommt auf, weil die Eltern „schon wieder mit der Frage ankommen“. Daher ist hier immer Geduld gefragt. Man kann eine Entscheidung nicht erzwingen, und tut man es, wird sie selten gut.
Die Entscheidung muss aber natürlich getroffen werden. Stellen Eltern fest, dass ihr Kind mit der Berufsorientierung hadert, haben sie aber mehrere Optionen, um ihr Kind möglichst streßfrei zu helfen. Die Grundlage für alles weitere ist offene Kommunikation. Dabei ist es nicht unbedingt sinnvoll, auch gleich mit lauter Ideen und Vorschlägen ins Haus zu fallen. Ein guter Anfang wird mit einer am besten gemütlichen Gesprächssituation gemacht, bei der vermittelt wird, dass das Gesprächsziel keine Entscheidung ist, sondern erstmal eine Ideensammlung, ein brainstorming darüber, was die Vorstellungen und Wünsche es Kindes sind und über welche beruflichen Richtungen man sich danach mal näher informieren könnte. Und auch wenn es bei rumdrucksenden Jugendlichen manchmal schwerfällt: es geht darum, dem Kind zuzuhören und es selber reden zu lassen, und nicht darum, wo die Eltern das Kind sehen oder wo sie es gerne hätten.
So kann das Kind mit den Eltern reflektieren, was ihm eigentlich Spaß macht, wo Interessen liegen, wo es Fähigkeiten hat – und auch, was es auf keinen Fall mag, was es nicht machen möchte und was es sterbenslangweilig findet. Mit diesem Gesprächsergebnis in der Tasche können sich sowohl die Eltern als auch ihre Kinder in den kommenden Tagen auf Recherchetour begeben und mal gucken, was es alles gibt, das zu diesen Vorstellungen paßt. So kann ein Gesprächsfaden beginnen, der sicher auch mehrere Runden haben wird, mit dem die Auswahl zumindest eingrenzt werden kann oder der im Idealfall schon zu einem konkreten Ergebnis führt.
Erfahrungen sammeln: Praktikum, FSJ & Co.
Praktika, FSJ & Co. sind immer eine gute Idee, sie eignen sich jedoch auch ganz vorzüglich, um eine unsichere Berufswahl zu klären. Gewissermaßen die Kurzform sind Praktika, mit denen sowohl Einblick in ein Berufsfeld gewonnen werden kann, als auch ein Eindruck vom potentiellen Ausbildungsbetrieb. Es darf nicht vergessen werden, dass auch bei einer feststehenden Berufswahl jeder Betrieb anders ist – Azubi und Betrieb müssen ebenfalls zueinander passen. Es lohnt sich also in jedem Fall, bei mehreren Betrieben nach einem Praktikum zu fragen. Hinterlässt man beim Praktikum einen guten Eindruck, hat man später bei der Bewerbung zusätzliche Bonuspunkte.
Hält die Unentschlossenheit an, ist ein freiwilliges Jahr ebenfalls eine sehr gute Idee. Studien haben gezeigt, dass junge Menschen nach einem freiwilligen Jahr selbstbewusster und selbstständiger sind, als zuvor. Sie lernen über Selbstwirksamkeit, sie lernen meist Teamarbeit, und sie gewinnen ganz allgemein an Lebenserfahrung.
Freiwillige Jahre gibt es heute in ganz unterschiedlichen Ausführungen: neben dem bekannten sozialen Jahr gibt es zahlreiche Schwerpunkte: Ökologie, Kultur, Geschichte, Sport uvm. Auch Auslandsaufenthalte wie work+travel sind immer zu empfehlen.
Ein solches Jahr ist natürlich kein Garant dafür, dass das Kind mit einer Entscheidung im Gepäck zurückkommt. Die gewonnene (Lebens-)Erfahrung lohnt sich aber in jedem Fall und rein statistisch wird das Kind mit einem freiwilligen Jahr eine bessere Entscheidung treffen können und übrigens auch eine erfolgreichere Karriere haben. Eine von der EU-Kommission beauftragte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass ein Ehrenamt „jungen Menschen die Gelegenheit [gibt], Erfahrung in potenziellen Berufen zu sammeln, sodass sie eine fundierte Entscheidung über ihren weiteren Ausbildungsweg treffen können.“ Sowohl die EU-Studie, als die OECD haben festgestellt, dass Freiwillige sich „Fähigkeiten und Wissen aneignen, die ihre Karrierelaufbahn und Beschäftigungsaussichten verbessern“, so die OECD.
Beratungsangebote nutzen
Für die Berufsorientierung gibt es zudem eine ganze Reihe von Informations- und Beratungsangeboten, die ebenfalls genutzt werden können und sollten. Teilweise richten diese sich direkt an die Jugendlichen, wie etwa die vocatium – Fachmessen für Ausbildung+Studium. An einigen Standorten gibt es auch die parentum – Berufswahlmesse für Eltern+Jugendliche, die speziell darauf ausgerichtet sind, Kind und Eltern als Team zu beraten. Ähnlich funktioniert das überall in Deutschland mit der vocatium videochat – Digitale Fachmesse, bei der ebenfalls auch die Eltern herzlich willkommen sind. Bei allen Messeangeboten findet die Beratung im persönlichen Gespräch mit Personalern, Ausbildern und geschulten Azubis statt.
Das IfT bietet darüber hinaus auch digitale Elternabende an, bei denen die Eltern alle ihre Fragen loswerden können, sowie einen Newsletter für Eltern, um immer auf dem neuesten Stand zu sein.
Fehler sind auch ok
Alle wünschen sich natürlich, mit der Berufswahl sofort richtig zu liegen. Die Realität sieht aber anders aus: Die Abbruchquote bei Ausbildungen liegt bei 25 bis 30 Prozent, ähnliche Werte werden beim Studium erreicht. Das ist aber kein Weltuntergang! Die Zeiten gradliniger Lebensläufe, bei denen man eine Ausbildung in einem Betrieb beginnt und im selben Betrieb verrentet wird, sind sowieso schon lange vorbei. Fehler und Umwege gehören zum Leben und sind kein Makel im Lebenslauf.
Für die Eltern ist der Weg das Ziel
Die Berufsorientierung ist ein anspruchsvoller Prozeß, bei dem Unmengen an Informationen verarbeitet werden wollen. Dabei können Eltern helfen, und sie sollten es auch. Dr. Christoph Schleer vom SINUS-Institut betont: bei der Berufsorientierung seien Eltern „nicht nur Anstoßgeber und Ratgeber, sie bieten auch emotionalen Rückhalt. Aus den Gesprächen mit den 14- bis 17-Jährigen wissen wir, dass die Unterstützung der Eltern oft dazu führt, dass sich die Jugendlichen weniger Sorgen machen.“ Das allein ist ja schon Grund genug.
Wenn es dann soweit ist und eine Entscheidung getroffen ist, tun Sie sich selbst und ihrem Kind aber einen Gefallen: schreiben Sie nicht die Bewerbung und gehen Sie nicht mit ins Bewerbungsgespräch. Dies liest und hört man in den vergangenen Jahren immer häufiger, doch auch wenn es gut gemeint ist: lassen Sie ihr Kind selbstständig erwachsen werden und seine eigenen Hürden im Leben meistern. Hilfe bedeutet nicht, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, sondern dabei zu unterstützen, sie zu überwinden.
Weitere Informationen:
Alle Angebote des IfT für Eltern finden Sie hier auf unserer Homepage.
Eine gute Broschüre zum Thema hat auch die Bundesagentur für Arbeit herausgegeben, die online abrufbar ist. Dort findet sich auch das ganze Interview mit Dr. Christoph Schleer.
26.02.2025