vocatium magazin

Berufe im Porträt

Interview mit einem Gießereimechaniker

Von der Eisengießerei zum IfT

Tobias Lenz ist gelernter Gießereimechaniker. Seit diesem Jahr arbeitet er beim IfT als Projektleiter der vocatium Berlin focus II. In einem Interview hat er uns u.a. erzählt, wie er zu seiner Ausbildung in einer Eisengießerei kam und warum der schon mehr als 5000 Jahre alte Gießereiberuf auch heute noch brandaktuell und hochspannend ist.

 

(ps) IfT:Du arbeitest jetzt bei uns im IfT, aber der Weg hier hin war erstmal gar nicht zu erwarten. Du bist gewissermaßen ein Quereinsteiger. Wo hat Dein Weg eigentlich angefangen?

Tobias: Mein Weg hat angefangen im September 2007, da habe ich meine Ausbildung in der Eisengießerei Torgelow begonnen, zum Gießereimechaniker mit Fachrichtung Handformguss. Die Eisengießerei Torgelow ist tätig an der Weltmarktspitze in der Produktion von hochkomplexen Gussteilen für die Offshore-Windkraftindustrie. Dort werden unter anderem Rotornaben und Maschinenträger in einem Gewichtsbereich von 20 t bis ca. 100 t für Windkraftanlagen gegossen, die größten Gussstücke sind bis zu 120 Tonnen schwer.

IfT: Was hat Dich damals besonders begeistert, was war ausschlaggebend für deine Entscheidung?

Tobias: Ausschlaggebend ist tatsächlich eine Berufsbildungsmesse gewesen, die in Neubrandenburg stattfand, auf der die Eisengießerei als großer Aussteller vertreten war. Das hat sich einfach spannend und vielversprechend, insbesondere was die Zukunft angeht, angehört – auch im Zuge des Klimawandels und der Nachhaltigkeit.

IfT:Als das Ziel dann klar war, wie ging es weiter? Hast Du Dich direkt beworben, oder vorher ein Praktikum gemacht?

Tobias: Ich bin mit dem Ausbildungsleiter auf der Messe ins Gespräch gekommen und der sagte zu mir, ich solle mich einfach bewerben! Eine ganz normale Bewerbung, am Computer getippt und persönlich abgegeben. Dann wurde ich zu einem Praktikum eingeladen und durfte drei Tage in unterschiedlichen Abteilungen mitmachen. Danach wurde mir der Ausbildungsvertrag angeboten.

IfT:Wie hast Du Deine Ausbildung erlebt? War es so gut, wie Du es Dir erhofft hast?

Tobias: Tatsächlich ging es mir wie den meisten anderen Menschen, die sich unter „Gießerei“ ja wirklich nicht viel vorstellen können. Nichtsdestotrotz ist das ein sehr großes Unternehmen. Wir waren damals fast eintausend Mitarbeiter, wodurch ich in der Zeit neben den fachlichen vor allem Schlüsselkompetenzen entwickeln konnte. Also Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, wie man sich schnell auf andere Menschen einstellt, wie man sich im Team integriert und so weiter.

Ab dem dritten Ausbildungsjahr hatten wir die Möglichkeit, eine Juniorfirma innerhalb der Eisengießerei zu betreiben, in der die Auszubildenden aus den unterschiedlichen Ausbildungsjahren zusammengearbeitet haben. Unsere Ausbilder und Ausbildungsleiter haben das beaufsichtigt, aber wir haben dort selbstständig, in kleinen Teams, Formen hergestellt und uns so auch auf die Prüfung vorbereitet. Wir waren wie ein kleines, autarkes Unternehmen innerhalb der großen Gießerei.

IfT:Wie ging es dann nach deiner Ausbildung weiter?

Tobias: Nach meiner Ausbildung bin ich nicht übernommen worden, weil eine Wirtschaftskrise kam. Da bin ich nach Berlin gegangen und habe angefangen, in einer Aluminiumgießerei zu arbeiten.

IfT: Was sind die Unterschiede, also zwischen dem, was Du in der Eisengießerei gelernt hast, und dem, was man in einer Aluminiumgießerei macht?

Tobias: Die Unterschiede da sind wirklich eklatant! In der Eisengießerei arbeitest Du in Größenordnungen und Dimensionen, die im Tonnenbereich liegen. Viele Abläufe sind automatisiert, funktionieren nur mit Kranbetrieb oder mit Maschinentechnik. In der Aluminiumgießerei haben wir alles selber hergestellt. Dort habe ich das traditionelle Gießereihandwerk gelernt, wie es schon seit 5.000 Jahren praktiziert wird. Zum Beispiel das Herstellen von Formen mit Mit Natur-Formsand – was man nicht einfach von heute auf morgen durch eine Unterweisung lernen kann. Man braucht Jahre, um dort Erfahrungen zu sammeln, um beispielsweise zu wissen: An welchen Stellen muss der Formsand stark oder weniger stark verdichtet werden, um eine  gute, gleichmäßige Gussoberfläche hinzubekommen? Man muss berechnen, wie das Metall fließt, um die Anschnitte und Entlüftungslöcher richtig zu setzen. Ansonsten erreicht man während des Gießens nicht genügend, oder zu viel Druck, was dazu führen kann, dass das Gussteil nicht ausläuft oder das flüssige Metall aus der Form herausschießt. Wir haben auch viele Sonderanfertigungen für Kunden hergestellt wie beispielsweise Armaturen für Oldtimer. Kernkompetenz und somit Schwerpunkt meiner Arbeit war allerdings das Herstellen von historischen Straßenleuchten wie z.B. Laternen oder Wandarme, die in den unterschiedlichen Ausführungen überall in Deutschland zu sehen sind. Das macht mich dann immer sehr stolz, wenn ich durch Straßen gehe oder fahre und Lampen sehe, die ich mal gegossen habe. Man kann wirklich fast alles abformen und gießen, wenn man ein Modell, also das herzustellende Gussteil im Original für einen Abguss zur Verfügung hat.

Ich war also am gesamten Werdegang des Gussteils beteiligt. Von der Bereitstellung des Modells über die Auswahl der Formkästen, die Formherstellung, den Formenzusammenbau, das Abgießen, Ausleeren und teilweise auch Nachbehandeln, also Sägen und Schleifen.

IfT: Du klingst ganz begeistert, aber jetzt arbeitest Du ja nicht mehr in der Metallbranche – wie kam es dazu?

Tobias: Das hat mit der Metallbranche selbst rein gar nichts zu tun – das ist eine persönliche Entscheidung gewesen, weil ich mich noch in anderen Bereichen entwickeln wollte. Mir war es vor allem wichtig, dass ich etwas im Bereich der Berufsausbildung machen kann: dass ich junge Menschen auf dem Weg in die Ausbildung begleiten kann, ein Sprungbrett bieten kann, aufzeigen kann, was es für unterschiedliche Möglichkeiten gibt. Auch weil ich selber in den zwölf Jahren als Gießereimechaniker gemerkt habe, wie schwer es ist, Auszubildende zu finden und junge Menschen für das Handwerk zu begeistern. Darum lag es mir am Herzen, als Bindeglied zwischen den Unternehmen und den angehenden Auszubildenden zu fungieren.

IfT: Mit dem Erfahrungsschatz von heute – was würdest Du an der Ausbildung Interessierten raten? Was müssen sie mitbringen?

Tobias: Körperliche Fitness! Man muss auf jeden Fall fit sein und Durchhaltevermögen haben. Man darf sich nicht von Misserfolgen demotivieren lassen. Ganz wichtig ist, dass man Teamfähigkeit mitbringt. Man sollte ein verlässlicher Mensch sein und sich genauso auf sein Team verlassen können, als Team funktionieren.

Ansonsten würde ich jungen Menschen mit auf den Weg geben, dass ganz viele Bestandteile des Berufsbildes wirklich 5.000 Jahre alt sind und dass es diesen Beruf so auch noch viele Jahre geben wird. Es gibt zwar inzwischen beispielsweise den 3D-Druck, das haben wir auch gemacht, aber es gibt einfach gewisse Dinge, da lässt sich das Natursand-Formverfahren, unter anderem aufgrund des hohen Individualisierungsgrades, durch nichts ersetzen.

Weitere interessante Artikel:
Medienberufe im Überblick Nicht einfach „irgendwas mit Medien“! Medienberufe stehen bei Azubis und Studierenden hoch im Kurs – doch mit der Berufsorientierung sieht es oftmals eher mau... weiterlesenMedienberufe stehen bei Azubis und Studierenden hoch im Kurs – doch mit der Berufsorientierung sieht es oftmals eher mau aus. Nicht umsonst ist „irgendwas mit Medien“ zu einer Art geflügeltem Spruch geworden, wenn Interessierte nach ihren Berufszielen in dem Bereich gefragt werden. Wir bringen jetzt etwas Licht ins Dunkel.
freepik
Berufsziel Schiffsmechaniker*in Volle Kraft voraus! Nicht nur an der Küste – Schiffsmechaniker*innen finden überall Arbeit, wo befahrenes Wasser ist. Von der Fähre über den... weiterlesenNicht nur an der Küste – Schiffsmechaniker*innen finden überall Arbeit, wo befahrenes Wasser ist. Von der Fähre über den Tegernsee bis zur Nord- und Ostsee, und von da aus in der ganzen Welt. Die oft internationale Ausbildung bietet einzigartige Möglichkeiten und Herausforderungen.
freepik
Berufsziel Augenoptiker*in Alles im Blick Eine wachsende Zahl von Menschen braucht sie: die Brille. Mehr als zwei Drittel der Deutschen sind Brillenträger*innen,... weiterlesenEine wachsende Zahl von Menschen braucht sie: die Brille. Mehr als zwei Drittel der Deutschen sind Brillenträger*innen, und durch die vermehrte Bildschirmnutzung steigt diese Zahl seit der Jahrtausendwende langsam, aber stetig an. Umso wichtiger werden Augenoptiker*innen, die sich um die technischen Sehprobleme ihrer Kund*innen mit modischen Lösungen bemühen.

Suchbörse

Praktikum, Ausbildung & Studium

Hier wirst du fündig!

Über die folgende Suchmaske kannst du Firmen, Fach- und Hochschulen sowie Institutionen finden, die Praktikums-, Gap-Year-, Ausbildungs- und Studienplätze anbieten. Auch einige Vereine und Initiativen sind verzeichnet, die soziale Praktika ermöglichen.