(ps) Die Arbeitsmotivation der Deutschen ist auf einem Tiefpunkt angekommen. So jedenfalls legt es eine repräsentative Studie von Gallup, einem großen internationalen Marktforschungsinstitut, nahe. Von den 1.700 befragten Arbeitnehmer*innen ab 18 Jahren gaben 78 Prozent an, für ihren Job nur „Dienst nach Vorschrift“ zu machen, bzw. nur eine geringe Bindung an ihre Arbeitgebenden zu haben – also Arbeit ohne große Motivation, ohne Initiative. Ein Ergebnis, das selbst die Studienautor*innen überrascht. Es ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen zum Thema im Jahre 2001, und noch im Vorjahr lag der Wert nur bei 67 Prozent. Zugleich sank auch die Zahl derer, die eine „hohe Bindung“ an die Arbeitgebenden haben: hier wurde mit 9 Prozent erstmals ein einstelliger Wert erreicht, 2023 waren es noch 14 Prozent.
Dies heiße, „dass fast zwei Millionen weniger Arbeitnehmende als im Vorjahr mit Hand, Herz und Verstand bei der Sache waren“, so Gallup. Und auch viele andere Kenndaten zeichnen nicht gerade ein positives Bild: „die Hälfte der Beschäftigten (50 %) will in einem Jahr nicht mehr bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber sein, nur ein Drittel (34 %) will weitere drei Jahre bleiben“, so Gallup weiter. Auch diese Zahlen sind Teil eines Abwärtstrends, der schon seit 2018 anhält.
Vertrauen in Führungskräfte bricht ein
Neben dem allgemeinen Verlust der Bindung an die Arbeit bzw. die Arbeitgebenden läßt sich – damit im Einklang – auch speziell ein gravierender Vertrauensverlust mit Blick auf die Führungskräfte feststellen: „2019 vertrauten 49 Prozent ihrer Führungskraft uneingeschränkt. Nachdem der Wert im Jahr 2022 auf 41 Prozent gesunken war, ist er jetzt um 20 Prozentpunkte auf 21 Prozent abgestürzt.“ Studienleiter Marco Nink betont: „Vertrauen ist die Grundlage jeder Beziehung. Wenn das Vertrauen in die Führungskraft sinkt, werden ihre Handlungen kritisch hinterfragt. Die Daten deuten auf tiefe Skepsis und ein Empfinden von Entfremdung in weiten Teilen der Arbeitnehmerschaft hin.“
Arbeitsmotivation = Produktivitätssteigerung
Dabei dürfte es niemanden überraschen, dass sich motivierte Arbeitnehmer*innen für die Unternehmen in mehreren Hinsichten lohnen. So könne der entstehende volkswirtschaftliche Schaden durch Arbeitnehmer*innen, die schon innerlich gekündigt haben, auf über 100 Milliarden Euro beziffert werden. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe von Indikatoren, die ebenfalls sehr eindeutig sind: laut Gallup haben emotional an ihre Arbeitgebenden gebundene Mitarbeiter*innen 78 % weniger Fehlzeiten, 63 % weniger Arbeitsunfälle, weniger Qualitätsmängel, bessere Kundebewertungen usw.
Gallup rechnet vor: „Jeder Fehltag kostet einen Arbeitgeber im Schnitt 330,40 Euro. Wenn ein Unternehmen mit 2.000 Mitarbeitenden die Fehlzeiten auf das Niveau von Beschäftigten mit hoher emotionaler Bindung senken könnte (5 Fehltage pro Jahr), entspräche das einer Kostenersparnis von über 1,6 Millionen Euro.“
Sind wirklich die „Krisen“ schuld?
Während die Befunde sehr eindeutig sind, sieht es bei der Ursachenforschung schon etwas unklarer aus. Mit Blick auf die Unternehmenskultur sei es nicht ausreichend, so Gallup, nur die „Demotivation“ zu bekämpfen, man müsse vielmehr positive „Motivation“ fördern. Ebenfalls verweisen die Studienautor*innen darauf, dass die Welt sich im Krisenmodus befinde, was sich natürlich auch auf die Gemütslage der Arbeitnehmerschaft auswirke.
Diese Krisen gibt es aber nicht erst seit gestern und man darf sich die Frage stellen, ob damit die generelle Abwärtsbewegung der Zahlen ausreichend erklärt ist. Denn die Krisen treffen alle Menschen gleichermaßen – mit der konkreten emotionalen Bindung zu den Arbeitgebenden haben sie aber erstmal nicht viel zu tun. Vielmehr scheint sich hier eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Art wie Unternehmen heute agieren durchzuschlagen.
Andere Studien, etwa die PwC-Studie von 2023, weisen beispielsweise darauf hin, dass Familienunternehmen mit 30 Prozent die beliebtesten Arbeitgebenden sind, gefolgt von der öffentlichen Hand mit 28 Prozent. Lediglich 15 Prozent der Befragten gaben an, große Konzerne als „Wunsch-Arbeitgeber“ zu haben. Ferner halten „86 Prozent der 18-29-Jährigen [...] Familienunternehmen für vertrauenswürdiger als andere Unternehmen.“ Was Familienunternehmen seit jeher auszeichnet sind flache Hierarchien, ansprechbare Chef*innen, ein guter – familiärer – Umgang miteinander; kurz: es sind Unternehmen, bei denen es sich lohnt, emotionale Bindungen einzugehen.
Nun kann ein Großkonzern natürlich nicht plötzlich zum Familienunternehmen werden, aber einiges von ihnen lernen. In der öffentlichen Wahrnehmung kommen Unternehmen bekanntlich schlecht weg: die Vorwürfe lauten u.a. Profitgier, überhöhte Managementgehälter, Fokus nur auf Anleger und Ausschüttungen aber nicht auf die Mitarbeitenden, schlechterwerdende Qualität von Produkten oder Dienstleistungen bei steigenden Preisen usw. usf. Sowohl als Mitarbeiter*in als auch als Kund*in sinkt die Zufriedenheit der Menschen und es macht sich das Gefühl breit, als Konsument ausgenommen und als Mensch nicht ernst genommen zu werden. Wieso sollten sich Menschen auch an Unternehmen binden, deren einziges Ziel Profi ist und nicht etwa gewissenhaftes Wirtschaften und mitarbeiterorientierte Unternehmenspolitik.
Dagegen fällt beispielsweise Wolfgang Grupp von Trigema regelmäßig damit auf (und wirkt mitunter wie ein exotischer Paradiesvogel), eben nicht auf Gewinnmaximierung zu setzen, sondern auf ein stabiles Wachstum, bei dem die Mitarbeiter*innen mitgenommen werden. Laut Grupp arbeiten bei Trigema nicht selten mehrere Generationen einer Familie – so kann emotionale Bindung an einen Arbeitgebenden eben auch aussehen.
Insgesamt verweist die sinkende Zufriedenheit der Arbeitnehmer*innen also auch auf ganz grundsätzliche Fehlentwicklungen in der Wirtschaft – die jedoch nicht so einfach zu lösen sind. Dafür bedürfte es eines fundamentalen Umdenkens, neuer Unternehmenskulturen und auch der Gesetzgeber wäre gefragt. Da dies alles nicht zu erwarten ist, werden einstweilen die politischen Ränder, insbesondere am rechten, von der grassierenden und wachsenden Unzufriedenheit der (arbeitenden) Bevölkerung profitieren – mit allen Nachteilen, die das für den Wirtschaftsstandort Deutschland hat.
Quellen:
Gallup: „Gallup Engagement Index Deutschland 2024“; online: https://www.gallup.com/de/472028/bericht-zum-engagement-index-deutschland.aspx
Heise online: „Studie: Deutsche Arbeitsmoral im Keller“, Axel Kannenberg, 13.03.2025; online: https://www.heise.de/news/Stimmungstief-bei-Angestellten-Fast-80-Prozent-machen-Dienst-nach-Vorschrift-10314588.html
PwC: „Das Image von Familienunternehmen 2023“; online: https://www.pwc.de/de/mittelstand/umfrage-zum-image-deutscher-familienunternehmen.html
19.03.2025