„Warum ich meine Ausbildung liebe“ oder…
Warum sich eine Afghanin für eine Ausbildung zur Pflegfachkraft in Bremen entscheidet
Das erste Mal, dass ich mir überlegt habe, in die Krankenpflege zu gehen, war nach dem Anschlag des IS (Islamischer Staat) auf eine Kabuler Geburtsklinik im Mai 2020. Die Terroristen feuerten auf Mütter, Neugeborene und Krankenschwestern und töteten 24 Menschen. Da ich damals in Kabul, der Hauptstadt von Afghanistan, lebte, bekam ich alles mit. Auch, dass die Pflegekräfte selbst in dieser Extremsituation nicht aufhörten, ihre Patienten zu versorgen. Sie halfen Müttern, die ihre Kinder verloren hatten, und Kindern, die ihre Mütter verloren hatten, richteten Patientinnen auf, trösteten Angehörige und taten alles, um Leben zu retten - und das, obwohl es ihnen selbst sehr schlecht ging, denn es waren auch Kolleginnen getötet worden.
An diesem Tag habe ich viel über den Wert und die Bedeutung von Pflegekräften gelernt und mich für den Beruf der Krankenschwester entschieden. Menschen zu helfen, ist eins der obersten Ziele in meinem Leben. Nach dem Fall von Kabul und der Machtübernahme der Taliban im August 2021 sind eine Freundin und ich aus Angst vor ihrem frauenfeindlichen Regime alleine und ohne unsere Familien nach Pakistan geflohen. Dort habe ich in Tagen der Verwirrung und Hoffnungslosigkeit von der Möglichkeit einer Pflegeausbildung in Deutschland erfahren und wusste: Das ist der Weg, den du gehen musst, um deinen Traum zu verwirklichen. Mit Hilfe von YouTube Videos lernte ich ein halbes Jahr ganz intensiv Deutsch und schaffte es tatsächlich bis zum Niveau B1. Dann ging alles recht schnell: Online-Vorstellungsgespräche mit dem DIAKO Krankenhaus Bremen, Ausbildungsvertrag, Einreisevisum. Beschleunigtes Fachkräfteverfahren, nennt sich das. Sechs Monate später war ich in Bremen.
Nach Ausbildungsbeginn wurde mir schnell klar, dass es Riesenunterschiede zwischen der Krankenpflege in Deutschland und der in Afghanistan gibt, v.a. im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen, die dort extrem schwierig sind, besonders für Frauen, besonders unter den Taliban. Was aber in beiden Ländern gleich ist und für mich den besonderen Reiz ausmacht, ist die menschliche Seite des Pflegeberufs. Als Krankenschwester durchlebe ich tagtäglich ein Wechselbad an Gefühlen, hier wie dort: Freude, wenn ein Patient nach der Genesung lächelnd Abschied nimmt, Trauer, wenn wir einen Patienten auf seinem letzten Weg begleiten und seine Familie trösten müssen. Glück und Angst, Sorge und Hoffnung und die ganze Bandbreite dazwischen.
Es stimmt schon: Pflege ist mehr als nur ein Job. Es ist die Fähigkeit, sich körperlich und seelisch auf Patienten und ihre Familien einzulassen, zuzuhören, Trost zu spenden, Hoffnung zu geben und bei alledem sich selbst nicht zu vergessen. Stark zu bleiben unter den widrigsten Umständen. Eine Kunst, die nicht jede/r beherrscht, und deren Wert man nicht unterschätzen sollte. Und noch etwas gefällt mir an diesem Beruf, besonders jetzt in der Ausbildung: Die Vielfalt an Erkenntnissen und Erfahrungen, die ich bei der Arbeit auf den verschiedenen Stationen tagtäglich sammle - eine große Bereicherung!
All dies macht die Ausbildung zur Pflegefachfrau für mich sehr wertvoll. Vor die Wahl gestellt, würde ich mich sofort wieder dafür entscheiden.