Fortbildungen für Digitalisierung im Unterricht
„Digitale Souveränität“ für Lehrkräfte
(ps) Eine der sehr raren positiven Folgen der Pandemiezeit ist, dass endlich Bewegung in die lange verschlafene Digitalisierung an Schulen gekommen ist. In den meisten Bundesländern, wenngleich längst nicht an allen Schulen, ist Qualität und Quantität der technischen Ausstattung sprunghaft gestiegen – die Lehrkräftefortbildung hinkt jedoch noch hinterher. Aber das Angebot wird größer.
Die Zahlen sind beeindruckend: Im Corona-Sommer 2020 beschloss die Bundesregierung angesichts der Krise, die auch die Schulen einholte, zusätzliche Mittel über den „Digitalpakt“ zur Verfügung zu stellen – ganze 1,5 Milliarden Euro. Dafür wurden allein bis Sommer ‘21 fast eine Million neue Tablets oder Laptops für Schüler*innen und Lehrkräfte erworben, daneben gab es noch zahlreiche Maßnahmen der Bundesländer. Allein: Die ganze Technik muß auch sinnvoll genutzt werden. Und hier hapert es: Der technische Digitalisierungsschub ist auf eine weitestgehend unvorbereitete Lehrerschaft getroffen, der Weiterbildungsbedarf ist bis heute hoch.
Fortbildungen gewünscht
Erhebungen aus dem Jahr 2019, das Jahr, in dem der „Digitalpakt“ beschlossen wurde um die Digitalisierung an Schulen zu fördern, zeigen, dass weder Lehrkräfte sich selbst, noch die Schüler*innen ihre Lehrkräfte für ausreichend kompetent halten, digitale Lehr- und Lernmethoden zu nutzen. Laut einer repräsentativen Befragung des Branchenverbands Bitcom wünschten sich 2019 ganze 85 Prozent der Lehrkräfte „Nachhilfe für den Einsatz digitaler Medien“, drei Viertel forderten Verbesserungen im Lehramtsstudium – welches bis heute ohne den Besuch von Lehrveranstaltungen zu digitalem Lernen abgeschlossen werden kann. Im selben Jahr ergab eine Forsa-Umfrage unter Jugendlichen, dass zwei Drittel ihre Lehrkräfte für „nicht so gut“ oder „schlecht“ im Umgang mit digitalen Lernmethoden halten.
Durch den Zwang der Notwendigkeit sind seither zahlreiche Fort- und Weiterbildungsprogramme aufgelegt worden, weitere werden entwickelt. So hat erst jüngst die Uni Bamberg in Bayern den Start des Forschungsprojekts „Digitale Souveränität als Ziel wegweisender Lehrer*innenbildung für Sprachen, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften in der digitalen Welt“ vorgestellt. Dies findet an einem der vier von Bund und Ländern getragenen und erst jüngst gegründeten „Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten in Schule und Weiterbildung“ statt. „Ausgangspunkt des Projekts ist der Umstand, dass deutsche Lehrer*innen im internationalen Vergleich eine starke Zurückhaltung gegenüber neuen digitalen Medien im Fachunterricht zeigen und die mit diesen Medien verbundenen fachdidaktischen Chancen häufig nicht ausschöpfen“, erläutert Prof. Jörn Brüggemann, Leiter des Projekts in Bamberg.
Vielfältiger Wissensbedarf
Neben pädagogischen Konzepten für digitalisierten Unterricht fehlt es aber oft auch an praktischen Kenntnissen oder an Wissen über die digitale Welt insgesamt. Das Durchschnittsalter der Lehrkräfte in Deutschland beträgt gut 46 Jahre, ein gutes Drittel ist 50 Jahre oder älter. Da geht es dann bei Fragen los wie etwa „Was ist eigentlich dieses TikTok?“ In der digitalen Welt rücken Freizeit und Schule näher zusammen: TikTok ist eben nicht nur eine Unterhaltungsplattform, sondern inzwischen auch quasi eine Lernplattform – ähnlich wie YouTube, wo heute neben Katzenvideos auch zahllose teils sehr hochwertige Lerninhalte zu finden sind. So geht der Einsatz digitaler Hilfsmittel im Unterricht tatsächlich bei der Lebenswelt der Schüler*innen los.
"Unser Leben ist digital", sagt auch Ruth Stockner, Lehrerin und Referentin eines Digitalisierungsworkshops, der jüngst im bayrischen Gauting stattfand. Sie plädiert dafür, sich besser früher als später mit der neuen Technik auseinanderzusetzen. Mithin, so ihr Kollege Reinhard Schlamp in den Bayrischen Nachrichten, sei die Nutzung digitaler Techniken inzwischen überall – bis hin zum Sportunterricht. „Ich glaube nicht, dass jede Lehrkraft jetzt einen TikTok-Account haben muss“, so Schlamp, „aber sie müssen wissen, was da passiert.“
Digitale Welt als neuer Lerngegenstand
Dem zugrunde liegt die langsam durchsickernde Erkenntnis, dass die digitale Welt selbst ein inzwischen gigantischer Wissenskomplex ist, der sowohl von den Lehrkräften erlernt, als auch im Unterricht vermittelt und genutzt werden muss. Das geht bei der Tatsache los, dass heute große Teile des Lebens der Jugendlichen (und sehr vieler „Älterer“ auch) digital oder digital ergänzt stattfindet – und, wie sich immer wieder zeigt, noch neuer Umgangsformen bedarf. Ebenfalls ist der sichere Umgang mit Computern und ihren Programmen heute Grundvoraussetzung in den allermeisten Berufen. Leben und Arbeit sind also bereits digital – an den Schulen braucht es noch Nachhilfe auf dem Weg zur „digitalen Souveränität“.
Weitere Informationen:
Auf dem von Bund und Ländern getragenen Deutschen Bildungsserver sind die Anbieter einschlägiger Fortbildungen zusammengestellt:
https://www.bildungsserver.de/lehrerfortbildungen-zum-thema-digitalisierung-12811-de.html
Allgemeine Informationen, Literatur und Workshops werden von der Bundeszentrale für politische Bildung angeboten:
https://www.bpb.de/themen/digitalisierung/
https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/
Quellen:
https://idw-online.de/de/news814844
https://www.lpb-bw.de/schule-und-corona#c76373
https://www.br.de/nachrichten/bayern/bayerns-gymnasiallehrer-hadern-mit-digitalisierung,TGfKWbs
30.05.2023