(ps) Die frühkindliche Bildung gehört zu den zentralen Schlüsselelementen einer erfolgreichen Bildungskarriere. Zahllose Studien aus aller Welt belegen, dass Versäumnisse hier auch durch den besten (Grund-)Schulunterricht kaum aufzuholen sind. In den KiTas und Kindergärten werden buchstäblich Bildungsfundamente gelegt.
Mit Blick auf die Statistik könnte man erstmal denken, dass es eigentlich reichlich Personal geben müsste: so hat das Statistische Bundesamt Anfang 2024 mitgeteilt, dass die Zahl des pädagogischen Personals an KiTas stetig anwächst und im März 2023 satte 51 Prozent höher lag, als noch zehn Jahre zuvor. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der zu betreuenden Kinder dagegen nur um 22 Prozent – also alles in Butter? Leider nein. Zum einen stieg vor allem die Zahl der unter Dreijährigen, die besonders betreuungsintensiv seien. Zum anderen gebe es in dem Berufsfeld mit 66 Prozent eine sehr hohe Quote an Teilzeitarbeitskräften.
Immer niedrigere Fachkräftequote
Die Bertelsmann Stiftung hat nun in ihrem „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ die Lage der KiTas genauer beleuchtet und stellt neben dem allgemeinen Fachkräftemangel auch strukturelle Probleme fest. Um überhaupt eine Betreuung zu gewährleisten, werden immer häufiger auch Quereinsteiger*innen eingesetzt – und das heißt eben auch: „immer weniger Kita-Personal bringt die formalen pädagogischen Voraussetzungen mit“. Doch eine hohe Fachkraftquote sei ein „ein zentraler Faktor für eine kindgerechte frühkindliche Bildung“, wie die Bertelsmann Stiftung mitteilt.
So haben zur letzten Bertelsmann-Erhebung 2017 noch 41,2 Prozent aller KiTas die Zielmarke von über 82,5 Prozent Fachkräfteanteil erreicht, 2023 dagegen nur noch 31,9 Prozent. Allgemein stehen die ostdeutschen Bundesländer hier deutlich besser da, als die westdeutschen. Während 2023 im Osten über 69 Prozent der KiTas die Zielmarke erreichen, sind es im Westen lediglich gut 23 Prozent.
„Grundsätzlich ist es gut, wenn die Kitas neue und vor allem motivierte Mitarbeitende gewinnen. Aber für die anspruchsvolle Arbeit mit den Kindern benötigen sie eine ausreichende pädagogische Qualifikation“, sagt Anette Stein, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung. Dies sei gerade in Notsituationen zwar vertretbar, dürfe aber „nicht zu einem dauerhaften Absenken der Fachkraft-Quote führen – doch genau diese Tendenz sehen wir momentan in mehreren Bundesländern.“
Viele Beschäftigte fühlen sich überlastet
Die sinkende Fachkraft-Quote führt dazu, dass die Belastung für die einzelne Fachkraft steigt. Die Bertelsmann Stiftung weist darauf hin, dass annähernd die Hälfte aller Befragten angaben, „sich täglich oder fast täglich im beruflichen Alltag überlastet zu fühlen.“ Entsprechend gebe es auch ein nennenswertes Abwanderungsrisiko unter den verbleibenden Fachkräften. Doch: „Je mehr Kita-Beschäftigte das Berufsfeld verlassen, desto größer wird die Belastung für das verbleibende Personal, was zu noch mehr Abwanderung führen kann. Diese Spirale gilt es zu durchbrechen“, erläutert Anette Stein.
Maßnahmen
Ziel müsse es sein, den Fachkräfteanteil durch verschiedene Fördermaßnahmen zu halten bzw. zu erhöhen. Nur so könne es gelingen, das KiTa-Personal „dauerhaft im Beruf halten“. Kurzfristig brauche es laut Stein „eine verlässlich finanzierte, professionelle Beratung und Begleitung, die die Zusammenarbeit in den sehr unterschiedlich zusammengesetzten Kita-Teams unmittelbar unterstützt.“
Erst im vergangenen Oktober hat der Bundestag zwar einen Förderpaket beschlossen, mit dem in den kommenden zwei Jahren über zwei Milliarden Euro in die Verbesserung des Betreuungsangebots an KiTas fließen sollen. Der Kita-Bericht 2024 des Paritätischen Gesamtverbandes kommt jedoch zum Ergebnis, dass „aktuell über 125.000 Stellen von pädagogischen Mitarbeitenden in Kindertageseinrichtungen unbesetzt sind.“ Hier zeigt sich offensichtlich ein Problem, dem mit kurzfristigen Fördermaßnahmen kaum beizukommen ist.
Ohne höhere Gehälter geht es nicht
Langfristig wird den beteiligten Akteuren also nichts anderes übrig bleiben, als die Attraktivität des Berufs insgesamt zu erhöhen – und dies bedeutet zuerst und am dringendsten, die Gehälter in der Branche merklich anzuheben. Schon seit Jahren wird hier, ähnlich wie in der Pflege, darauf gesetzt, dass das individuelle Engagement und die Leidenschaft für den Beruf schon für genug Nachwuchs zu vergleichsweise geringem Gehalt sorgen wird. In Zeiten des Fachkräftemangels ist dies jedoch langfristig unrealistisch. Gemessen an der gesellschaftlichen Relevanz des Berufes müsste „Erzieher*in“ eigentlich zu den bestbezahlten Berufen überhaupt gehören. Stattdessen hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schon vor einiger Zeit dokumentiert, dass sich 81 Prozent der Erzieherinnen in Deutschland „durch unangemessenes Gehalt belastet“ fühlen. Da ist es erstaunlich, dass weder das Förderpaket des Bundes, noch die Bertelsmann Stiftung diesen Aspekt überhaupt erwähnen.
Quellen:
Bertelsmann Stiftung: „Gute Kitas brauchen gut ausgebildetes Personal - aber die Fachkraft-Quote sinkt vielerorts“, PM vom 04.12.2024; online: www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2024/dezember/gute-kitas-brauchen-gut-ausgebildetes-personal-aber-die-fachkraft-quote-sinkt-vielerorts
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: „Acht von zehn Erzieherinnen in Deutschland fühlen sich durch unangemessenes Gehalt belastet“, PM vom 12.05.2021; online: www.diw.de/de/diw_01.c.818010.de/acht_von_zehn_erzieherinnen_in_deutschland_fuehlen_sich_durch_unangemessenes_gehalt_belastet.html
Paritätischer Gesamtverband: „Kita-Bericht 2024“, Liubovi Colbasevici, Niels Espenhorst, Mai 2024; online: www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/broschuere_kitabericht-2024.pdf
Statistisches Bundesamt: „Kita-Betreuung: 51 % mehr pädagogisches Personal im März 2023 als zehn Jahre zuvor“, PM Nr. N004 vom 24.01.2024; online: www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/01/PD24_N004_p002.html
04.12.2024