Wissenschaft und Politik

Bildungssystem vor Herausforderungen

Generative KI in Schule und Studium

Das noch junge Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) hat eine neue Studie vorgelegt, in der die Anwendung und das Verhalten der Nutzer*innen zu Künstlicher Intelligenz im Bildungskontext ausgelotet werden.

 

(ps) Als mit ChatGPT die erste leidlich gut funktionierende KI an den Markt kam, war der Aufschrei groß – und zu Recht. ChatGPT können Fragen gestellt werden und es generiert Antworten, auch längere Texte, die meistens halbwegs brauchbar sind. Mit etwas menschlicher Überarbeitung ist schnell die Hausaufgabe gemacht, der Essay oder das Hausarbeitskapitel für die Uni geschrieben und man musste kaum selber denken. So sprachen einige schon vom „Ende der Hausaufgaben“ oder der Hausarbeiten an den Unis. Speziell den Hausaufgaben ist zwar aus pädagogischer Sicht prinzipiell ein Ende zu wünschen, jedoch aus anderen Gründen.

Insgesamt war sich die Bildungsszene darin weitgehend einig, dass mit ChatGPT und den zu erwartenden, noch besseren Nachfolgern das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und nun ein Umgang mit der neuen Wirklichkeit gefunden werden muß. Zu den konstruktiven Ansätzen zählte hier die aktive Einbindung von KI in den Unterricht – als Lehr- und Lernhilfe, als Feedbackmaschine, als kreatives Werkzeug. Und mehr oder weniger im Stillen dachten sich die Schüler*innen und Studierenden „sowie als Lernvermeidungstool“. Nun hat das bidt im Rahmen der Studie „Verbreitung und Akzeptanz generativer KI an Schulen und Hochschulen“ den aktuellen Stand der Dinge abgefragt. „Generative KI“ dient hierbei als „Sammelbegriff für Systeme mit künstlicher Intelligenz, die neue Inhalte wie Texte, Bilder, Programmcode, Videos oder Musik erzeugen.“

KI in der breiten Bevölkerung weitgehend ungenutzt

In einem Land, in dem die Altkanzlerin Merkel vor noch nicht allzu vielen Jahren das Internet als „für uns alle Neuland“ beschrieb, ist der erste Befund der bidt-Studie nicht überraschend: lediglich 77 Prozent der befragten Gruppe, die das Internet nutzen und keine Schüler*innen oder Studierenden sind, hat überhaupt schon mal von KI gehört – und nur ein Viertel dieser Gruppe hat KI schon selber verwendet. Dagegen hätten „92 Prozent der erwachsenen Schülerinnen und Schüler und 98 Prozent der Studierenden bereits von der Technologie gehört“ und „rund drei Viertel der Schülerinnen und Schüler (73 Prozent) sowie Studierenden jeweils ab 18 Jahren (78 Prozent) die Technologie bereits eingesetzt.“

Gemischtes Feedback zu den Effekten von KI unter Lernenden

Die „Abkürzung“ beim Lernen ist den schulischen und studentischen Nutzer*innen oft durchaus bewusst – aber auch die positiven Effekte auf die Noten: „Vier von zehn erwachsenen Schülerinnen und Schülern (42 Prozent) und 45 Prozent der Studierenden sind der Meinung, dass sie durch generative KI bessere Noten erhalten hätten, ohne dafür eine angemessene Leistung erbracht zu haben.“ Zugleich sehen etwa die Hälfte der Lernenden eine „Leistungssteigerung“ durch die KI-Nutzung. Unter den Schüler*innen sei die Hauptnutzungsart Textzusammenfassungen (68 Prozent), unter den Studierenden nutzen 59 Prozent Programme wie ChatGPT zur Recherche.

Zu den Vorteilen zählen sie, „leichter lernen“ zu können und Zeit zu sparen. „Dass es zu einer Zeitersparnis durch den Einsatz von generativer KI kam, berichten 62 % der entsprechenden Studierenden und 59 % der entsprechenden Schülerinnen und Schüler.“ Ferner geben 54 Prozent der Schüler*innen und 55 Prozent der Studierenden an, „dass es zutrifft, dass ihnen der Einsatz generativer KI das Lernen erleichtert hat.“ Hier darf man sich natürlich fragen, was die Lernenden unter „lernen“ verstehen, und ob sie mit diesen Hilfsmitteln tatsächlich „leichter lernen“ – oder überhaupt etwas. Das jedoch ist eine andere Diskussion.

Weiterhin besteht auch ein Gefälle zwischen der Nutzung seitens der Schüler*innen und Studierenden. Lediglich 3 Prozent der Schüler*innen geben an, KI für die Schule gar nicht zu nutzen. Bei den Studierenden sind es immerhin 16 Prozent. Ähnlich auch bei der privaten Nutzung: 89 Prozent der Schüler*innen nutzen generative KI auch für private Zwecke, unter den Studierenden ab 18 Jahren sind es 78 Prozent.

Arbeitsweise der KI bleibt für die Nutzer*innen ein Rätsel

Zwar wird generative KI häufig genutzt, ein gewisses Verständnis für die zugrundeliegende Technologie ist jedoch nur bei etwa der Hälfte der Nutzer*innen vorhanden. Unter den Schüler*innen besteht zudem bei lediglich 45 Prozent überhaupt das Interesse, „generative KI-Systeme gerne besser [zu] verstehen“. Analog sind vielen der Befragten auch die Risiken der KI-Nutzung nicht klar: „Nicht mehr als 50 Prozent der betrachteten Schülerinnen und Schüler und 56 Prozent der Studierenden sind sich bewusst, dass erzeugte Ergebnisse faktisch falsch sein können.“ Dies betont auch Antonia Schlude, wissenschaftliche Referentin des bidt Think Tank: „Ein erheblicher Anteil der Lernenden ist sich nicht bewusst, dass generative KI unvollständige, unausgewogene oder widersprüchliche Ergebnisse liefern kann“.

Leitlinien fehlen oft – sind aber eher erwünscht

Der Umgang mit generativer KI an den Bildungseinrichtungen ist noch sehr unterschiedlich. Insbesondere die Universitäten haben hier bereits Leitlinien zur Nutzung bzw. entsprechende Verbote aufgestellt, aber bei weitem nicht alle. So sagen „54 Prozent der Schülerinnen und Schüler und 41 Prozent der Studierenden ab jeweils 18 Jahren, dass es an ihrer Bildungseinrichtung keine Leitlinien gebe.“ Immerhin 61 Prozent der Befragten würden sich an die Leitlinien halten, wenn sie vorhanden sind. Unter den Studierenden wünschen sich 57 Prozent – so sie nicht vorhanden sind – die Einführung von Leitlinien, unter den Schüler*innen sind es lediglich 44 Prozent. Roland A. Stürz, Abteilungsleiter des bidt Think Tank und Leiter der Studie, betont entsprechend, dass „Klare Regelungen, Kompetenzaufbau und eine adäquate Leistungsbewertung [...] nur einige der großen Herausforderungen [seien], vor denen Schulen und Hochschulen jetzt stehen.“ Insgesamt müssten sich laut Stürz die Bildungseinrichtungen „flexibler und agiler aufstellen und bildungspolitische Maßnahmen ergriffen werden“.


Quellen:

Schlude, Antonia et al.: Verbreitung und Akzeptanz generativer KI an Schulen und Hochschulen (15. März 2024): www.bidt.digital/publikation/verbreitung-und-akzeptanz-generativer-ki-an-schulen-und-hochschulen/

Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt): PM 19.03.2024: Generative KI verändert Schule und Studium – zentrale Herausforderungen: https://idw-online.de/de/news830500

 

19.03.2023

Weitere interessante Artikel:
Klimaziele: Kohlendioxid aus Atmosphäre entnehmen RWTH-Forschende: Negative Emissionen durch eine direkte Abscheidung von Kohlendioxid aus der Luft Das Ingenieurstudium im Dienst der Umwelt: Die Erreichung der Klimaziele erfordert sogenannte negative Emissionen, also... weiterlesenDas Ingenieurstudium im Dienst der Umwelt: Die Erreichung der Klimaziele erfordert sogenannte negative Emissionen, also die Entnahme von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre. Eine vielversprechende Technologie hierfür ist die direkte Abscheidung von Kohlendioxid aus der Luft, englisch Direct Air Capture oder kurz DAC, informiert die RWTH Aachen University in einer Medieninformation. Gleichzeitig, heißt es darin weiter, werden allerdings Energie und Materialien benötigt, deren Erzeugung und Produktion zu indirekten CO2-Emissionen und anderen Umweltauswirkungen führen. Der Gesamtnutzen von DAC für die Umwelt ist daher unklar.
Weniger MINT-Fächer-Studierende Deutschland bleibt EU-Spitze bei MINT-Abschlüssen Über die Sorgen um den Fachkräftemangel ist fast täglich in der Presse zu lesen. Trotz sinkender Zahlen bei den... weiterlesenÜber die Sorgen um den Fachkräftemangel ist fast täglich in der Presse zu lesen. Trotz sinkender Zahlen bei den Studienanfänger*innen steht Deutschland aber einstweilen noch gut da: Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, ist der Anteil der MINT-Abschlüsse an den deutschen Hochschulen EU-weit am höchsten, über eine Million Studierende sind in der Fächergruppe eingeschrieben.
Antisemitismus an Schulen in Deutschland Zentralrat der Juden: Josef Schuster im Interview Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 kam es weltweit zu einem starken Anstieg antisemitischer... weiterlesenSeit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 kam es weltweit zu einem starken Anstieg antisemitischer Vorfälle. Auch an den Schulen stehen die Lehrkräfte vor einem massiven Antisemitismusproblem. Wir haben den Präsidenten des Zentralrats der Juden Josef Schuster zur aktuellen Situation sowie den Problemen und Möglichkeiten der Schulen befragt.

Suchbörse

Praktikum, Ausbildung & Studium

Hier wirst du fündig!

Über die folgende Suchmaske kannst du Firmen, Fach- und Hochschulen sowie Institutionen finden, die Praktikums-, Gap-Year-, Ausbildungs- und Studienplätze anbieten. Auch einige Vereine und Initiativen sind verzeichnet, die soziale Praktika ermöglichen.